Pariser Messen: Eleganz in jeder Ecke

Das Pariser Messegeschehen ist in diesem Jahr aufs Heftigste aufgewirbelt worden. Die Premiere der von der Art Basel ausgerichteten Messe Paris+, der die traditionelle Kunstmesse Fiac im Grand Palais zum Opfer gefallen ist, hat sich trotz anfänglicher Kritik als voller Erfolg erwiesen. Zudem haben sich zwei Pariser Messen zusammengetan, um unter dem neuen Namen Fine Arts Paris & La Biennale Präsenz zu zeigen. Der Ort ist in diesem November nochmals der Carrousel du Louvre, ehe 2024 die Übersiedlung in den grundsanierten Grand Palais ansteht.

Die Räume des Carrousel sind elegant eingerichtet, so dass die 86 teilnehmenden Galerien auch bei unterschiedlicher Standgröße optimal zur Geltung kommen. Das Prinzip dieser Hybridmesse ist es, die insgesamt 14 vertretenen Kategorien, von Altmeistergemälden bis zu außereuropäischer Kunst, bunt zu mischen. Keine der Kategorien ragt quantitativ heraus, weder die alten Meister noch das in Frankreich traditionell starke Kunsthandwerk vom intarsierten Schreibtisch bis zum vergoldeten Kerzenhalter. Galerien wie Steinitz oder Léage (beide Paris) haben so etwas wie period rooms eingerichtet, bis hin zum originalen Parkettboden.

Schier unübersehbar ist das Angebot außereuropäischer Objekte. São Roque (Lissabon) bietet vier chinesische Gemälde auf Papier, Szenen aus Kanton des späten 18. Jahrhunderts und für den europäischen Markt gemalt, mit un-chinesischer Zentralperspektive (90.000 €). Auffällig ist, dass Objekte aus Afrika und Ozeanien durchweg mit Provenienzen versehen sind; anders lässt sich heute auch nichts mehr handeln. Die lebensgroße Holzfigur der Urhobe aus dem heutigen Nigeria kann immerhin bis 1970 zurückverfolgt werden. Die 750.000 Euro, die der Kunsthändler Didier Claes aus Brüssel in den Raum stellt, sind denn auch ein stolzer Preis für ein ehrfurchtgebietendes Werk.

Das Gegenteil in Form einer Miniaturisierung ist beim Frankfurter Grafikhändler Helmut Rumbler zu bewundern. Sein Spitzenstück erweist sich als ein gerade briefmarkengroßes Selbstporträt des jungen Rembrandt aus dem Jahr 1630, das mit 340.000 Euro ausgezeichnet ist. Der Andrang des Sammlerpublikums auf dieser neu konfigurierten Plattform ist hoch, Inflation hin oder her. Kunst bleibt eben Wertanlage.

Zum 25. Mal öffnen sich in diesen Tagen auch die Tore zur Paris Photo, der weltgrößten Messe für Fotografie, diesmal erneut in der temporären Behausung des Grand Palais Ephémère unweit des Eiffelturms. Der Messe hat der Ortswechsel nicht geschadet. Aber war da nicht etwas? Etwas, zu dem gerade die Fotografie etwas zu sagen hätte? Nun, der russische Krieg gegen die Ukraine kommt nur am Rande vor. Um so höher ist zu bewerten, dass Alexandra de Viveiros (Paris) ihre Koje zur Gänze den Fotografen aus Charkiv widmet.

Sergiy Lebedinskyy und Vladyslav Krasnoshchok haben im Osten des Landes fotografiert und stellen die Aufnahmen unter den lakonischen Titel „Kriegsserie“ (je Abzug 1200–1400 €). Zumindest Boris Mikhailov darf auf der Messe nicht fehlen: Er hat die Koje der Pariser Galeristin Suzanne Tarasieve in eine eindrucksvolle Installation verwandelt und zeigt , wie sich schon 2014 auf dem Kiewer Maidan prorussische und proeuropäische Demonstranten in unheilvoller Spannung gegenüberstanden.

134 Galerien sind in der Hauptabteilung zugegen, aus 29 Ländern, worunter Deutschland und die USA wie stets auf die Pariser Lokalmatadore folgen. Auch an den Platzierungen hat sich wenig bis nichts geändert. Die Kölner Galerien Karsten Greve und Thomas Zander flankieren den Hauptweg nahe dem Eingang, Zander mit dem Pariser Motiv der Bibliothèque Mazarine von Candida Höfer (75.000 €) und Greve mit einer hinreißenden Reihe der Pariser Motive von Herbert List aus dem Jahr 1936 (Neuabzüge, 2500– 16.000 €). Noch mehr Pariserisches gibt es bei Howard Greenberg aus New York, der Fotos von Charles Marville, diesem Chronisten der Haussmann-Ära, im Angebot hat (bis 30.000 €).

Die Fotografie der Gegenwart kann da nicht immer mithalten. Landschaften sind perfekt abfotografiert, in makellosen Farben, wie sie die heutige Hard- und Software eben ermöglicht. So beim Kanadier Edward Burtynsky, den Nicholas Metivier (Toronto) mit neuen Aufnahmen aus Afrika im Programm hat, und noch stärker ästhetisiert beim Chilenen Alfredo Jaar. Von ihm zeigt die Goodman Gallery (Johannesburg) Dia-Leuchtkästen mit Ansichten der Tagebauer Brasiliens (90.000 €). Exotismus anderer Art findet sich bei Loft Art (Casablanca) in den Modefotografien, die der in Belgien lebende Marokkaner Mous Lamrabat mit verhüllten Frauen inszeniert.

Und die Frage nach dem weiblichen Anteil? Die Messeleitung der Paris Photo nennt „31 Prozent Frauen“ unter den insgesamt 1613 Fotografen, 77 von ihnen sind besonders kenntlich gemacht in dem zum fünften Mal aufgelegten Programm „Elles x Paris Phtoto“; darunter Gabriele Stötzer, die der Berliner Galerist Friedrich Loock zeigt, wie auch Evelyn Richter und Sybille Bergemann. Und Größen wie Germaine Krull oder Tina Modotti gehören ohnehin zum Inventar der Paris Photo. (Beide Messen bis 13. November. Carrousel du Louvre, www.fineartsparislabiennale.com/Grand Palais Éphémère, www.parisphoto.com)

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