Hoffnungslichter entzünden

Mal wieder eine neue Pandemie-Erfahrung: Es kann sehr gut klingen, wenn Hunderte von Menschen, die einen Mund- Nase-Schutz tragen, zusammen singen. Zu hören am Donnerstagabend während des ausverkauften Konzerts von Arlo Parks im Berliner Columbia Theater, bei dem 2G plus Maskenpflicht gilt – was auch weitgehend eingehalten wird.

Nach einer knappen halben Stunde singen vor allem die weiblichen Fans den Refrain von „Too Good“ zusammen mit der 21-jährigen Londonerin: „I think you know it/ Too cool to show it/ Babe you’re so good, you’re too good to be true“. Alles ist gut zu verstehen und wer die Augen schließt, könnte fast meinen, sich auf einem Prä-Corona-Konzert zu befinden.

Plastikblumen und Wärme

Noch besser wird es dann beim folgenden Stück, für das Arlo Parks das Publikum um Unterstützung bittet – und ein richtig lautes „Caaaaaaaroline“ bekommt, den Refrainauftakt ihres gleichnamigen Stückes. Es ist der hierzulande bekannteste Song von Arlo Parks, und er spiegelt exemplarisch ihre Qualitäten als erzählende Songwriterin.

Sie beschreibt darin den völlig aus dem Ruder laufenden Streit eines Paares an einer Bushaltestelle, der darin gipfelt, dass der Mann der Frau ein flehentliches „Caroline, I swear to God I tried“ entgegenschleudert. Das Drama wird von einem flauschigen Zuckelgroove begleitet, der auch im Columbia Theater wunderbar funktioniert.

Zusammen mit ihrer fünfköpfigen Band erfüllt Arlo Parks, die bürgerlich Anaïs Oluwatoyin Estelle Marinho heißt, den Saal mit so viel Wärme, dass alle Anwesenden davon sicher noch den Rest dieser nassen grauen Woche zehren werden. Dazu trägt auch die leicht hippieske Atmosphäre bei: Die Bühne ist mit zahlreichen Plastikblumen- und Palmen dekoriert, die Schweinwerfer strahlen häufig gelb und rot. Vor allem aber hat die ganz in Weiß gekleidete Arlo Parks die Gabe, selbst über Themen wie Eifersucht oder ihre „Super Sad Generation“ derart sanft und empathisch zu singen, dass sie dabei Zuversicht vermittelt.

[Behalten Sie den Überblick über die Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de.]

So auch bei dem auf der Stelle kreiselnden Midtempo-Song „Black Dog“, in dem sie die Depression einer Freundin beschreibt und gleichzeitig die eigene Hilflosigkeit thematisiert. Ausgerechnet mit dem in Höhe und Länge gezogenen Wort „cruel“ gelingt es ihr, einen KatharsisFunken zu entfachen. Vorab sagt Parks, dass das Lied von ihrer besten Freundin handele, der es inzwischen viel besser gehe. „Der Song erinnert an unsere Fähigkeit, harte Zeiten zu überwinden.“

Daran kann man derzeit ja nicht oft genug erinnert werden, weshalb es auch eine immense Wohltat ist, einem so positiven Menschen wie Arlo Parks bei der Arbeit zuzuschauen. Sie lächelt viel, tanzt entspannt am Bühnenrand herum und bedankt sich immer wieder herzlich bei den Fans, die in der Tat ungewöhnlich aufmerksam wirken, kaum filmen und fotografieren. Was vielleicht an der bedrückende Pandemiesituation liegt und wohl auch an der steigenden Wahrscheinlichkeit eines erneuten Lockdowns. Man schätzt ein Konzert mehr in diesen Zeiten.

Mit ihrem Debütalbum gewann Parks den Mercury Prize

Die Karriere von Arlo Parks konnte das Virus nicht aufhalten. Zwar wurde die Veröffentlichung ihres Debütalbums „Collapsed In Sunbeams“ verschoben, doch nachdem es im Januar endlich herauskam, stieg der Stern der Musikerin unaufhaltsam – zu allererst in Großbritannien, wo sie mit dem Mercury Prize die wichtigste Popauszeichnung des Landes gewann. Das unter anderem von R’n’B, Portishead und Sylvia Plath beeinflusste Songwriter-Pop-Album ist auch im Herbst noch eines der besten dieses Jahres – und überzeugt live.

Zwar ist anfangs der Bass etwas zu dominant im Soundbild und die Stimme zu leise abgemischt, eine eindringliche, intime Stimmung entsteht dennoch. Parks, die mehrere Instrumente beherrscht, konzentriert sich auf der Bühne ganz aufs Singen, wobei sie manchmal von der Keyboarderin unterstützt wird. Für eine schön Ergänzung im Klangbild sorgt eine Trompeterin, die immer wieder die Bridges übernimmt und feine Nachtschatten-Töne einwift.

Nach einer Stunde ist bereits Schluss. Doch niemand murrt, denn als einzige Zugabe spielen Parks und die Band eine tolle, leicht aufgeraute Version von „Hope“, dessen zentrale Zeile „You’re not alone like you think you are“ lautet. Als Hoffnungsschimmer glimmt sie anschließend im Kopf noch eine Weile weiter.