God Save the Spleen

Ganz Großbritannien feiert wie ausgelassen. Die Queen sitzt siebzig Jahre auf dem Thron, hat es das schon mal gegeben! Paraden, Konzerte, Großbritannien steht Kopf, wenn eine royale Festlichkeit die nächste jagt.

Ganz Großbritannien? Nun, in Schottland sehen viele Menschen das Jubiläum der ewigen Elizabeth mit gemischten Gefühlen, to say the least. In Nordirland spitzt sich die Lage zu. Sinn Fein hat die Wahl gewonnen, und, wie Paul McCartney einmal sang: „Give Ireland back to the Irish!“ In Australien denkt die neue Regierung darüber nach, sich von der Krone loszusagen. Der Brexit hat das Gegenteil von dem gebracht, was die Großmäuler auf der Insel versprachen. Nicht nur gefühlt schrumpft Great Britain. Gewachsene Fremdenfeindlichkeit, leere Regale, miese Wirtschaftsdaten, alles besser als die EU.

Johnny Rotten findet die Queen jetzt gut

Die Royals schauen zu. Das können sie am besten. Sie dürfen sich nicht einmischen in die Politik, das ist dort harte Tradition. Wer die „Crown“-Serie durchgestanden hat, weiß um das schwierige Verhältnis von Monarchin und Regierung. Schließlich muss die gewaltige Apanage der Family gesichert bleiben.

Die Insel feiert also mal ein paar Tage ihre Probleme weg, mit viel Tamtam und Musik. Die Sex Pistols haben zum Thronjubiläum ihre Nationalhymne neu herausgebracht. „God Save the Queen“, erstmals erschienen 1977 zum Silver Jubilee der Königin. Einst verfluchte Johnny Rotten sie als „fascist regime“, das alle zu Idioten mache, und fragte: „When there’s no future, how can there be sin?“ Heute sagt der 66-jährige Sänger, er sei stolz auf die Queen und freue sich, dass er ihr gut gehe. Vom Punk zum Adel, so läuft das bei den Briten. Das System holt alle ein, am Ende noch den Lautesten.

Anarchie in Great Britain?

Dabei haben sich Johnny Rotten und seine Freunde voll geirrt. No Future, das war ein Slogan, der sich für die Namenlosen, die sozial Verdrängten eingelöst hat. So ist das immer. Das Leben geht weiter. Und natürlich gibt es noch Sünden. Schaut man auf Boris Johnson, dann werden es täglich mehr. Mehr Unverschämtheiten, Lügen, mehr Ungerechtigkeit. Dieser Premierminister zeigt auch mit seiner Frisur, dass Punk triumphiert. Die neuen Punker toben sich aus bei Covid-Partys in Downing Street 10.

„God Save the Queen“ war der zweite Hit der Sex Pistols. Ein halbes Jahr zuvor hatten sie mit „Anarchy in the U.K.“ losgelegt. Wenige Tage nach der Veröffentlichung verbannten die britischen Radiosender den Song. Es gab jede Menge Prozesse, jeder gegen jeden. „Anarchy for the U.K. / It’s coming sometime and maybe“, so sang Johnny Rotten damals und feierte sich als „Antichrist“. Das hätte in diesen Tagen aber auch nicht schlecht gepasst.