Hertha BSC holt am zweiten Bundesliga-Spieltag ersten Punkt

Kevin-Prince Boateng stand da und staunte. Der Mittelfeldspieler von Hertha BSC blickte Richtung Ostkurve, wo gerade eine aufwendige Choreografie der Berliner Fans ihren Anfang nahm. Blaue und weiße Fahnen wurden geschwenkt, Transparente emporgezogen. Boateng war die Hochachtung vor dem Werk der Ultras deutlich anzusehen. „Das war supergeil“, sagte später Torhüter Oliver Christensen.

Auch das Spiel zwischen Hertha und Eintracht Frankfurt bot lange reichlich Anlass zum Staunen. Zumindest aus Sicht der Berliner, die mit zwei Pflichtspielniederlagen in die neue Saison gestartet waren. Am Samstag aber, im ersten Heimspiel vor 44.694 Zuschauern, war Hertha dem Europa-League-Sieger in der ersten Halbzeit deutlich überlegen und führte verdient mit 1:0. Zum ersten Saisonsieg reichte es trotzdem nicht.

Und doch konnte sich Hertha am Ende einigermaßen glücklich schätzen – weil Schiedsrichter Frank Willenborg zwei Minuten vor Schluss einen Elfmeter für die Frankfurter nach scheinbar endlosem Studium der TV-Bilder etwas überraschend wieder zurücknahm. So holten die Berliner zumindest den ersten Punkt, nachdem es gegen die nun saisonübergreifend seit zehn Bundesligaspielen sieglose Eintracht beim 1:1 geblieben war. „Das ist wichtig für uns“, sagte Torhüter Christensen. „Natürlich war nicht alles perfekt, aber es war ein guter Schritt.“

Nach der Niederlage im Derby hatte Herthas Trainer Sandro Schwarz seine Mannschaft auf vier Positionen verändert. Für Marvin Plattenhardt und Myziane Maolida, beide angeschlagen, rückten Maximilian Mittelstädt und Chidera Ejuke in die Startelf. Außerdem wurden Boateng und Davie Selke von Wilfried Kanga und Lucas Tousart ersetzt, der sogar die Kapitänsbinde trug.

Wichtiger als die veränderte Aufstellung aber war die veränderte Einstellung der Berliner. Trainer Schwarz hatte nach der Niederlage im Derby die mangelnde Energie seiner Mannschaft beklagt. Daran fehlte es diesmal nicht. Schwarz bescheinigte seinem Team eine „sehr, sehr gute Reaktion auf letzte Woche“. Hertha ging mit einer deutlich höheren Intensität zu Werke. „Eine ganz andere Mentalität und Dynamik“ erkannte Verteidiger Marc Kempf, während Schwarz fand, „dass wir über weite Strecken eine gute Energie, eine gute Ausstrahlung hatten“.

Das zahlte sich schon früh aus. In der zweiten Minute luchste Ejuke Daichi Kamada an der Mittellinie den Ball ab. Dodi Lukebakio flankte von der rechten Seite präzise in den Strafraum, wo Suat Serdar mit Tempo und viel Energie heranrauschte, sich gegen Ansgar Knauff durchsetzte und wuchtig zur 1:0-Führung für Hertha einköpfte.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Herthas Auftritt sah komplett anders aus als eine Woche zuvor in der Alten Försterei. Schon vor der Pause hatte das Heimteam zwei weitere gute Chancen, beide Male eingeleitet von Maximilian Mittelstädt, der es bei den ersten beiden Pflichtspielen nicht einmal in den Kader geschafft hatte. „Maxi hat’s sehr gut gemacht“, sagte Schwarz. Beim ersten Mal rettete Evan Ndicka noch vor Kanga, beim zweiten Mal löste sich Herthas Mittelstürmer perfekt, schaufelte den Ball dann aber aus fünf Metern über die Latte.

Ähnlich ungeschickt hatte sich bei den Frankfurtern deren Angreifer Lucas Alario angestellt. Nur fünf Minuten nach Herthas Führung wurde er von Kamada bedient – und lenkte den Ball aus fünf Metern am leeren Tor vorbei. Der Linienrichter hob zwar umgehend die Fahne, doch eine Abseitsposition ließ sich nicht erkennen. Der Treffer hätte wohl gezählt.

Die Frankfurter, die es noch am Mittwoch im europäischen Supercup gegen Real Madrid gefordert, taten sich schwer mit Hertha. Sie hatten zwar in der ersten Hälfte ein deutliches Übergewicht beim Ballbesitz, wirkten aber ein bisschen müde und schwerfällig. Nur einmal wurde es vor der Pause noch gefährlich: als Herthas Sechser Ivan Sunjic den Ball unbeabsichtigt genau in den Fuß von Kamada köpfte. Dessen Schuss aber flog hoch übers Tor.

Ein offenes Spiel mit vielen Chancen auf beiden Seiten

Frankfurts Trainer Oliver Glasner wechselte zur zweiten Hälfte, brachte Faride Alidou für Knauff. Dass es wenige Sekunden später 1:1 stand, hatte allerdings weniger mit der Eintracht zu tun als mit Hertha. Innenverteidiger Filip Uremovic verlor im Aufbau den Ball. Randal Kolo Muani bediente Kamada in der Mitte, der ohne Mühe einschießen konnte.

Die Sicherheit, die Hertha vor der Pause ausgezeichnet hatte, war erst einmal verflogen. Es war nun ein offenes Spiel, mit vielen Chancen auf beiden Seiten, wobei die Eintracht etwas reifer, Hertha hingegen manches Mal etwas naiv wirkte. „Es kann gefühlt in beide Richtungen kippen“, sagte Marc Kempf. Ein Tor aber fiel nicht mehr. Auch weil Schiedsrichter Willenborg kurz vor Schluss noch einmal entscheidend eingriff, nachdem Oliver Christensen Frankfurts Stürmer Rafael Borré am Fuß erwischt hatte.

Eine viel zu leichte Berührung, sagten die einen; ausreichend und ursächlich für den folgenden Sturz Borrés, fanden die anderen. „Ich kann den Frust der Frankfurter verstehen“, sagte Sandro Schwarz. „Aber nicht jeder Körperkontakt ist ein Foul.“