Fazit zur Transmediale 2023: Politik mit Bildern
Die Transmediale, als Festival für digitale Kultur, hat ganz wesentlich meine Interessen und Forschungsschwerpunkte als Kuratorin beinflusst. Zwar tauchen immer wieder die gleichen Leute dort auf, inhaltlich hat das Festival aber jedes Jahr einen anderen Schwerpunkt. Das diesjährige Thema „a map, a model, a fiction“ drehte sich um Bild-Politiken (oder Politik mit Bildern?) mit besonderem Fokus auf maschinell generierte Bilder, die zu einer skalaren Neuordnung der Welt führen.
Sarah Johanna Theurer ist Kuratorin am Haus der Kunst in München und lässt sich für ihre Arbeit von den Diskursen der Transmediale inspirieren.
Aber das wusste ich alles noch nicht als ich das Festival am Wochenende in der Akademie der Künste durch einen orangen Plastikvorhang betrat und von einem blinkenden Automaten empfangen wurde. Host B, ein Werk des französisch-algerischen Künstlers Neïl Beloufa, ist ein Automat in einer frankensteinhaften Abwandlung des Pokémons Pikatchu. Die Maschine will Zugriff zu meinen Twitter Account aber ich habe mein Passwort vergessen.
Wie kein anderes Big Tech unternehmen stand Twitter zuletzt in den Schlagzeilen. Skalierbarkeit und damit Expansion ist ein fundamentaler Bestandteil aller Silicon Valley-Angebote. Ohne exponentielles Wachstum keine Automatisierung der Datenverarbeitung.
Twitter wurde eigentlich für Sentimentanalyse gemacht, lerne ich in dem sehr interessanten Vortrag von Wendy Chung. Sentimentanalyse sammelt Daten aus Gesichtern, Stimmen und Körpersprache, aber zum Beispiel auch aus Tweets, und verwendet sie als Trainingsmaterial für „Emotions KI“ (Affective Computing). Es soll darum gehen digitale Interaktionen zu humanisieren.
Verpasst habe ich Tung Hui-Hu, einen hervorragenden Dichter und Theoretiker der über reelle und tote Zeit im algorythmisch erzeugten „Feed“ gesprochen hat – also vielleicht auch darüber wie wir Menschen uns anpassen um den Mustern und Vorhersagen des maschinellen Lernens zu entsprechen.
Neben den üblichen Lectures gab es in dieser Festivalausgabe auch „Demos“: ein Hybrid zwischen Präsentation und eigenständiger Kunstform, dessen Wurzeln in der Programmierszene der 1980er zu finden sind. Dazu hätte ich sehr gerne eine Ausstellung gesehen! Die nerdige und trotzdem sehr charmante Unterhaltung zwischen McKenzie Wark und Bahaar Norizadeh über Acid Communism und Ketamin Feminism setzte viel voraus. Leichter zugänglich und super moderiert waren die Filmvorführungen, die von TikTok- Mitschnittten bis zu CGI wirklich neue Bildwelten zeigten.
Dafür, dass Bilder alles sind, wie die künstlerische Leiterin Nora O Murchú im Programheft bemerkt, ist die Festivalarchitektur des Künstlers Sebastian Kite erstaunlich wenig bildstark. Aus Silber-Folie geschnittene Formen simulieren mehr schlecht als recht Pfützen. Nachhaltigkeit war bei der Auswahl der Materialien offensichtlich kein Maßstab.
Im Gegensatz dazu steht die wirklich nachhaltige Entscheidung das Residenzprogramm auszubauen und dadurch neue Kunstwerke zum aktuellen Festivalthema zu ermöglichen. Researcher:innen und Künstler:innen wie Asia Bazdyrieva oder Anna Engelhardt waren zusätzlich zu ihren Arbeiten auch auf einigen Panels vertreten und haben so das Programm zusammengehalten. Auch wenn mich viele der künstlerischen Präsentationen nicht überzeugt haben, macht die Transmediale eines deutlich: Sinnerzeugung ist eine eigene Kunst. Und die kam bei dieser Ausgabe vor allem in Gesprächen und im Diskurs zur Geltung.
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