Neues Festival in Spandau: Alte Musik an historischen Orten

Die sinnesfrohe närrische Jahreszeit passt nicht wirklich zum Berliner Naturell. Wer vor der Fastenzeit noch einmal richtig auf die Pauke hauen will, muss aber nicht mehr ins jecke Rheinland flüchten. Unter dem Motto „Passion Karneval“ lädt die erste Ausgabe des SPAM-Festivals zu einer kurzweiligen Musikreise ein, die auch nach Paris, Spanien und natürlich in die Lagunenstadt Venedig führt.

Das provokante Akronym „SPAM“ steht für „Spandau macht Alte Musik“. In der historischen Zitadelle und in der gotischen Nikolai-Kirche erklingen abwechslungsreiche Instrumental- und Vokalwerke aus Mittelalter, Renaissance und Barock. Gespielt werden etwa Auszüge aus Karnevalsopern, Tanzsätze und Fandango-Variationen auf dem Hackbrett – aber auch ernste, meditative Chorwerke, die zur inneren Einkehr ermahnen.

Erst feiern, dann büßen

„Karneval und Passionszeit gehören zusammen. Beim ausgelassenen Feiern zeigt sich die Perversion der Freiheit, unmittelbar darauf folgen Reue und Buße“, sagt der Musikwissenschaftler Bernhard Schrammek, der das Festival gemeinsam mit der Gambistin Heidi Gröger kuratiert.

Zur Eröffnung führt die Berliner Lautten Compagney mit dem belgischen Vokalensemble Vox Luminis virtuose Kirchenmusik von Monteverdi, Rigatti und anderen venezianischen Komponisten auf. Erinnert wird hier an die „Festa della salute“, eine Dankesprozession, mit der die Serenissima ab 1631 jedes Jahr das Ende einer schweren Pestepidemie feierte.

Der Bariton Holger Falk kommt mit dem Ensemble Nuovo Aspetto als singender Gondoliere auf die Bühne. Die Schifferlieder entführen die Zuhörer auf eine Rundfahrt durch die Kanäle Venedigs, vorbei an prächtigen Kirchen und Palästen. Pariser Karnevalsopern von Lully und Campa, spöttische Stücke von Telemann und Biber sowie mitreißende venezianische Rhythmen präsentiert die Akademie für Alte Musik Berlin mit Bernhard Forck unter dem rheinischen Motto „Helau!“.

Franziska Fleischanderl spielt das Salterio, ein historisches Hackbrett
Franziska Fleischanderl spielt das Salterio, ein historisches Hackbrett
© Gerhard Winkler

„Die meisten Ensembles haben ihre Programme eigens für unser Festival entwickelt“, betont Schrammek. „Sie ziehen also nicht einfach etwas Bekanntes aus dem Köcher.“

Temperamentvolle spanische Tänze und Gesänge hat die Sopranistin und Harfenistin Arianna Savall im Gepäck. Wenn sie mit dem Ensemble Hirundo Maris im Gotischen Saal der Zitadelle auftritt, werden auch Kastagnetten ertönen. Unter den prominenten Festivalgästen ist auch Ton Koopman, der mit seiner Frau Tini Mathot barocke Cembalowerke spielt.

Allerhand ist außerdem über seltene Instrumente zu erfahren. Die Musikerin Franziska Fleischanderl stellt beispielsweise das Salterio vor, eine Art historisches Hackbrett, das mit den Fingern oder mit einem Plektrum gespielt wird.

Die Choräle bitte mitsingen

Am Aschermittwoch ist es mit dem Karnevalsspaß bekanntlich vorbei. Auch beim SPAM-Festival ändert sich die Tonlage. Das auf das Mittelalter spezialisierte Berliner Ensemble Vox Nostra bietet in der Nikolaikirche liturgische Musik dar – rein vokal, ohne jegliches Beiwerk.

In ungewöhnlich reduzierter Form wird Bachs „Johannespassion“ von einem Trio aus dem isländischen Tenor Benedikt Kristjánsson, der Cembalistin Elina Albach und dem Schlagzeuger Philipp Lamprecht aufgeführt. Das Publikum ist dazu eingeladen, die Choräle mitzusingen.

Der Termin fällt auf den 24. Februar, den Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine. „Viele Menschen werden an dem Tag an den Krieg denken. Das, was einen tagsüber beschäftigt, lässt sich nicht einfach beiseiteschieben“, meint Schrammek. “Bachs Musik kann auch in dieser Situation viel Trost spenden.“

Das Abschlusskonzert mit dem Titel „Tränen der Trauer“ gestaltet das Ensemble Capella de la Torre gemeinsam mit dem Rias Kammerchor, die Leitung hat der lettische Dirigent Kaspars Putniņš. In „Lagrime di San Pietro“ von Orlando di Lasso erscheint der Mensch als Sünder, Hoffnung und Zuversicht wecken dagegen die klangprächtigen Werke der venezianischen Brüder Andrea und Giovanni Gabrieli.


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