Beim 1. FC Union sind alle wichtig

Vor dem Anpfiff am Samstag gab es ein musikalisches Augenzwinkern vom DJ im Stadion An der Alten Försterei. „Erfolg ist kein Glück“ hieß das Lied, das aus den Lautsprechern schallte. Dem konnte keiner widersprechen. Es hat auch nichts mit Glück zu tun, dass der 1. FC Union plötzlich von einigen sogar als Titelkandidat gehandelt wird und in der Fußball-Bundesliga ein Spitzenduell gegen den FC Bayern bestritt. Mit den Leistungen in den vergangenen Wochen und Monaten und der guten Arbeit der letzten Jahre hat es sich Union durchaus verdient, oben zu stehen.

Ein bisschen Glück gehört aber trotzdem immer dazu. Union hatte dieses etwa in der vergangenen Saison, weil es kaum Verletzungen gab und sich die Dreifachbelastung damit weniger als erwartet bemerkbar machte.

Union hatte Glück, dass finanziell besser gestellte Klubs wie der VfL Wolfsburg, die TSG Hoffenheim und Borussia Mönchengladbach deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben. Doch das Glück muss man auch erst einmal zu nutzen wissen.

Und beim 1:1 gegen die Bayern am Samstag zeigten die Köpenicker schon wieder, wie souverän sie mit Glück und Pech umgehen. Als die Aufstellungen öffentlich wurde, schien Unions Glück aufgebraucht zu sein. Neben dem schon angeschlagenen Diogo Leite fehlten kurzfristig auch Janik Haberer und Jordan Siebatcheu. Zwei Spieler, die sich in den vergangenen Wochen hervorragend integriert und gerade beim Kantersieg gegen Schalke brilliert hatten. Ausgerechnet gegen die Bayern fielen sie aus.

Doch Union schien davon komplett unbeeindruckt. „Diejenigen, die reingekommen sind, haben mit ihren Leistungen nahtlos angeknüpft“, sagte Trainer Urs Fischer. „Das beschreibt dann auch ein bisschen die Mannschaft. Wir wissen, dass wir auf jeden zählen können.“ Ähnlich äußerte sich Julian Ryerson: „Wir haben oft genug darüber gesprochen, was für eine Einheit wir sind. Jeder weiß immer, was er zu tun hat.“

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen könn

Jeder kennt seinen Job, und so kann jeder seine Stärken gut nutzen. Kevin Behrens etwa ist ein deutlich limitierterer Stürmer als Siebatcheu, für den er am Samstag eingesprungen ist. Trotzdem konnte er mit seiner starken Ballbehauptung immer wieder für Unruhe bei den Bayern sorgen. Als Kollektiv reagierte Union auf den personellen Einschnitt, stellte leicht um, und war dann genauso effektiv wie in den Spielen zuvor.

Dass solche Umstellungen so glatt laufen, ist bei einem Kader von 29 Spielern nicht selbstverständlich. Doch statt zu Reibereien führt die hohe Konkurrenz in vielen Fällen zu einer Leistungsteigerung. Ein gutes Beispiel ist Ryerson, der neben Christopher Trimmel der letzte Union-Spieler ist, der schon 2019 beim Aufstieg in die Bundesliga dabei war.

Seitdem war er selten Stammspieler, doch so langsam scheint er sich einen festen Platz in der Startelf zu verdienen.

Jamie Leweling hätte fast das Siegtor für den 1. FC Union erzielt

Ebenso könnte es bei Jamie Leweling gehen. Der von Greuther Fürth gekommene Stürmer hatte bisher nicht den besten Start bei Union, doch auch er nutzte die Chance, gegen die Bayern für sich zu werben. Etwa zehn Minuten nach seiner Einwechslung ließ er Dayot Upamecano verwirrt auf dem Boden zurück, um eine gute Chance aus dem Nichts hervorzuzaubern. Wäre Manuel Neuer nicht Manuel Neuer, hätte Leweling wohl das Siegtor geschossen.

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

„Man sieht, wir haben einen großen Kader, die Jungs sind bereit Ausfälle zu kompensieren“, sagte Fischer nach dem Spiel, betonte aber gleichzeitig, dass man trotzdem auf eine schnelle Rückkehr der fehlenden Spieler hofft. Haberer sollte nach der Geburt seines Kindes bis zum Duell in der Europa League am Donnerstag gegen Royale Union Saint-Gilloise wieder einsatzbereit sein. Bei Siebatcheu, der muskuläre Probleme hat, ist es noch offen. „Jetzt liegt es an der medizinischen Abteilung, ihn für Donnerstag fit zu bekommen“, sagte Fischer.

Siebatcheu wird auch gebraucht, denn in dieser Woche beginnt die Dreifachbelastung so richtig. Bis November wird es fast nur Englische Wochen geben. „Jetzt geht die heiße Phase los. Wir freuen uns wirklich sehr, dass wir international im eigenen Stadion spielen. Man muss aber natürlich ein bisschen aufpassen. Es ist eine Gruppe, in der du sowohl Letzter als auch Erster werden kannst“, sagt Kapitän Trimmel.

Union hofft natürlich auf die zweite Variante. Nach den Leistungen in den ersten Wochen der Saison steigt der Optimismus, dass der Klub zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in einem europäischen Wettbewerb überwintern kann. Dafür wird der Kader in seiner ganzen Tiefe gebraucht. Und vielleicht ein Quäntchen Glück.

Ein machbares Los erwischte Union unterdessen am Sonntagabend bei der Auslosung der zweiten Runde im DFB-Pokal: Die Berliner spielen am 18. oder 19. Oktober zu Hause gegen den Zweitligisten 1. FC Heidenheim.