Wisch und nicht weg

2017 startete unter Leitung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz das von der Bundesregierung geförderte Projekt „museum4punkt0“. Das Ziel bestand darin, neue digitale Vermittlungskonzepte für Museen zu entwickeln. Dass hier großer Nachholbedarf besteht, hat die Pandemie deutlich gezeigt.

Bei „museum4punkt0“ wurde nicht nur der Einsatz von Apps und Bewegtbild erprobt, sondern auch erkundet, wie Virtual Reality, Augmented Reality, künstliche Intelligenz und Algorithmen bei der Bildungsarbeit im Museum eingesetzt werden können. Themen, für die in den Häusern meist weder Personal noch Geld zur Verfügung stehen.

Bei einer zweitägigen Konferenz, die am Montag und Dienstag in den Räumen des Humboldt Forums und digital stattfand, trafen sich die an „museum 4punkt0“ beteiligten Einrichtungen mit externen Expert:innen, um Bilanz zu ziehen. Welche Prototypen wurden entwickelt, welche waren erfolgreich? Und wie geht es weiter?

Kommt gut an: Tinder fürs Museum

25 Millionen Euro hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters seit 2017 für ihre Digitalisierungsoffensive bewilligt. Das „Verbundprojekt“ ist durchaus gewagt: Unterschiedliche Häuser mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Finanzierungsstrukturen und Besuchertypen waren beteiligt, von naturwissenschaftlichen Sammlungen über das Meeresmuseum in Stralsund, die Staatlichen Museen zu Berlin bis zum privat finanzierten Fastnachtsmuseum im Bad Dürrheimer Kurpark.

In 18 Häusern wurden Prototypen entwickelt, getestet oder adaptiert. Das Besondere: Alle Anwendungen sind Open-Source programmiert und sollen künftig dem gesamten Museumsbetrieb zur Verfügung stehen. Ob und wie diese „Nachnutzung“ klappen kann, ist allerdings eine kritische Frage. Auch weil das Projekt in wenigen Monaten ausläuft.

Den Barockgarten auf der Museumsinsel Schloss Gottorf kann man mit dem Handy digital erkunden.Foto: Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, CC-01.0

Eines der Highlights, das auch im Ausland auf Aufmerksamkeit stieß, ist „Ping!“, eine App, die für das Humboldt Forum entwickelt wurde. Sie funktioniert wie Tinder. Bei der Dating-App stufen User potenzielle Partner:innen mit einem Wisch nach links oder rechts auf dem Smartphone als interessant oder uninteressant ein.

[Wenn Sie die wichtigsten Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können. ]

Bei „Ping!“ passiert dasselbe mit Museumsobjekten. Ein Statue oder eine Skulptur wird mit einer kurzen Beschreibung versehen, und die Besucher:innen entscheiden per Wisch, ob sie das Objekt kennenlernen möchten oder nicht. Das geht zu Hause oder vor Ort.

Am Deutschen Museum werden verschiedene Techniken ausprobiert, um Ausstellungsobjekte zu digitalisieren.Foto: Deutsches Museum / Gabriel von Münchow, CC BY 4.0

Auf dieser Basis kann dann ein personalisierter Rundgang durchs Museum erstellt werden. Das funktioniert ganz einfach, ohne Anmeldeprozess, und macht die App niedrigschwellig und attraktiv. Das Badische Landesmuseum und das Senckenberg Museum für Naturkunde in Görlitz haben die Software bereits übernommen und eigene Adaptionen entwickelt. Beide Häuser berichten sie hätten fünfstellige Beträge für ihre Anpassungen ausgegeben, und dabei mit externen und teils eigenen Programmierern gearbeitet. So gibt es beim Badischen Landesmuseum nun eine „zickige Vase“, die man daten kann.

Auf Augenhöhe mit Krabbeltieren

Ein weiteres Erfolgsmodell ist „Abenteuer Bodenleben“, eine Virtual-Reality- Anwendung, mit der Interessierte digital auf Krabbeltiergröße „schrumpfen“ und sich Bodenorganismen nähern können. Bereits sechs Museen in Deutschland nutzen das Tool, berichtet Willi Xylander vom Senckenberg Museum.

In der Anna Amalia Bibliothek in Weimar kann man den Handyscreen auf wertvolle Bücher richten, die man sonst nicht anfassen darf und sich via Augmented Reality deren Beschaffenheit in digitaler Form ansehen. Die Deutsche Kinemathek nutzt eine App, die zur spielerischen Erkundung Berliner Drehorte im Stadtraum einlädt. Durch Augmented-Reality werden Filmkulissen sichtbar. Im Fastnachtsmuseum kann man sich digital Masken aufsetzen, ähnlich den Face-Filtern bei Instagram.

Es funktioniert nur mit einer langfristigen Perspektive

Der Austausch zwischen den beteiligten Häusern scheint fruchtbar. Längst nicht jede Anwendung ist erfolgreich; was bei Besucher:innen ankommt und was nicht, zeigt vor allem die Erfahrung. Viele der Museumsdirektorinnen und Projektleiter würden die neuen Instrumente gerne langfristig einsetzen, aber dafür braucht es ein Budget.

Die Software benötigt Updates, Hardware muss angeschafft werden, man braucht Personal und Knowhow. Ohne öffentliche Unterstützung läuft bei den meisten Häusern nichts. Aber es gibt zur digitalen Vermittlung auch keine Alternative. Fast flehentlich klingen die Appelle der Direktoren, die neue Regierung möge das Projekt fortsetzen.