Venedig Biennale und Krieg: Schreckliches Gerede vom „Genozid-Pavillon“
Die Berlinale ist vorbei. Sie hatte ihren Skandal mit einseitigen Kommentierungen zum Krieg Israels in Gaza. Der Vorwurf des Genozids wurde auf der Bühne geäußert, Politiker ließen es geschehen, um dann wenige Stunden später alles scharf zu verurteilen, Antisemitismus wurde pauschal an jede Äußerung geheftet, nicht nur an solche, die es wirklich waren. Gerade jetzt, wo Kulturräume dringend als Diskursorte gebraucht werden, redet man schnell von Finanzierungsentzug: Berlinale weg, Documenta weg. Als sei das eine Lösung im Kampf gegen Antisemitismus.
Nun steht das nächste große internationale Kunstevent an, und es geht genauso weiter, nur noch schlimmer. Sechs Wochen vor der ältesten Biennale der Welt in Venedig fordern tausende Kunstschaffende in einer Petition, Israel auszuschließen. Der Vorwurf: Der Staat verübe einen Genozid an den Palästinensern.
Waren es vor ein paar Tagen noch 9000 Personen, sollen es laut eigener Angaben bereits 12.000 Unterzeichnende sein. Dazu gehören nicht nur prominente Namen wie die amerikanische Fotografin Nan Goldin, die mit ihrem erfolgreichen Kampf gegen das Mäzenatentum des Pharmakonzerns Sackler viel Zuspruch erfuhr. Dazu zählt auch eine Künstlerin wie Zoë Claire Miller, die Sprecherin des Berufsverbands Bildender Künstler*innen Berlin ist.
Vorwurf des Genozids
„Während sich die Kunstwelt auf das Nationalstaatendiorama in den Giardini vorbereitet, sagen wir, dass es inakzeptabel ist, Kunst aus einem Staat zu präsentieren, der gegenwärtig Gräueltaten gegen die Palästinenser*innen in Gaza ausführt“, heißt es in dem Boykott-Schreiben, deren Absender eine Gruppe namens „Art Not Genocide Alliance“ (ANGA) ist, die sich zum Zweck dieses Aufrufs gegründet hat. Und ein völlig inakzeptabler Schlachtruf wie dieser steht darin: „Kein Genozid-Pavillon an der Biennale in Venedig.“ Unverständlich, dass Kulturschaffende, die für Antirassismus und Diskriminierungsfreiheit einstehen, ihre Unterschrift unter solche Verbalkeulen setzen.
Der Blick ist einzig auf das zweifellos große Leid der Palästinenser gerichtet. Die Gewalt wird allein der „Kolonialmacht“ Israel zugeschrieben. Wie in anderen Schreiben aus der Kunstwelt, die kurz nach dem 7. Oktober veröffentlicht wurden, ist auch in dem aktuellen Aufruf keine Rede vom Massaker der Hamas in Israel, auch nicht von den Geiseln, die noch in Gaza gefangen gehalten werden. Es fehlt jegliche Verurteilung der Terrororganisation, die mitverantwortlich ist für das Leid in Gaza.
Einseitige Logik
Die Venedig Biennale, 1895 gegründet als Präsentation einzelner Staaten, die ihre Kunst in Länderpavillons zeigen, spielt immer auch die Weltpolitik hinein. Die Biennale-Leitung solidarisiere sich mit der Ukraine, schweige aber „zu den Gräueltaten, die Israel an den Palästinensern verübt“, so die Unterzeichner der Petition. In ihrer einseitigen Logik ist jede „offizielle Darstellung Israels auf der internationalen Kulturbühne“ eine „Unterstützung des Völkermords in Gaza“.
In Italien hat der Aufruf der Kulturschaffenden auch Kulturminister Gennaro Sangiuliano empört. Sangiuliano nannte das Schreiben in einer Erklärung „inakzeptabel“ und „schändlich“. Israel habe „nicht nur das Recht, seine Kunst auszudrücken, sondern auch die Pflicht, seinem eigenen Volk Zeugnis abzulegen, zu einem Zeitpunkt, an dem es von skrupellosen Terroristen aus heiterem Himmel schwer getroffen wurde“. Schwer wird es auch die israelische Künstlerin Ruth Partir haben, die in diesem Jahr im israelischen Pavillon ausstellt.
Es wird im Rahmen der Venedig Biennale Beiträge palästinensischer Künstler geben, auch wenn es in der Anti-Israel-Petition zunächst anders dargestellt war. Russland nimmt erneut nicht teil. Zugleich gab es die Befürchtung, dass Italiens Rechtsruck auch in den Ausstellungen in den Giardini und im Arsenale spürbar sein könnte, nachdem Ministerpräsidentin Giorgia Meloni den Journalisten Pietrangelo Buttafuoco als neuen linientreuen Biennale-Präsidenten ernannt hat.