Mit dem Stift gegen das Virus

Fäuste fliegen, Blut spritzt, es ist ein Kampf auf Leben und Tod. Das Problem: Freund und Feind sind schwer auseinanderzuhalten. Und so erwischen die Verteidiger bei der Abwehrschlacht schon mal ein paar eigene Leute und übersehen manche Gegner, weil die äußerlich eher harmlos wirken.

Das Finale der Manga-Reihe „Cells at Work“ sieht auf den ersten Blick aus wie etliche andere Schlachten, die man in Action- oder Horrorcomics schon gesehen hat. Nur dass es diesmal nicht um den Kampf gegen Gangsterbanden oder Monster geht. Der Feind, dessen Kämpfer mit Noppen besetzte Kopfbedeckungen tragen, hört hier auf den Namen Sars-CoV-2.

Der Auslöser der Infektionskrankheit Covid-19 ist der handlungstreibende Gegenspieler im kürzlich auf Deutsch veröffentlichten sechsten Bandes von „Cells at Work“ (Übersetzung Burkhard Höfler, Manga Cult, 160 S., 10 €).

Geschaffen hat die Reihe die 1994 geborene Zeichnerin Akane Shimizu, die ihr großes Interesse an Medizinthemen mit einem guten Gespür für packende Comic-Unterhaltung zu einer bemerkenswerten Edutainment-Serie verknüpft hat, die inzwischen auch als Zeichentrickfilm erfolgreich ist.

Hauptfiguren sind unter anderem ein rotes und ein weißes Blutkörperchen, die in einem Setting agieren, das auf den ersten Blick nach einer ganz normalen Stadt der Gegenwart aussieht, sich aber dann als Metapher für den menschlichen Körper herausstellt. Der wird in jeder neuen Folge mit einer anderen gesundheitlichen Herausforderung konfrontiert.

Action-Story mit Horror-Elementen

Im 29. und letzten Kapitel ist der Eindringling das Coronavirus, spielerisch vermittelt die Autorin grundlegende Informationen über die Infektionswege von Covid-19 und den Kampf des Körpers dagegen.

Corona-Angriff: Eine weitere Szene aus „Cells at Work“.Foto: Manga Cult

Der Manga wurde zuerst im Magazin „Shonen Sirius“ veröffentlicht, das sich vorrangig an ältere Teenager und junge männliche Erwachsene richtet. Dem tragen die actionlastige Handlung mit Horror-Elementen sowie die in knappen Kostümen auftretenden Frauenfiguren manchmal etwas zu offensichtlich Rechnung.

Dank Akane Shimizus humorvollem Erzählton dürfte die Reihe aber auch andere Leser:innen ansprechen – wenngleich die Bildfolgen für ältere, nicht mit den visuellen Codes dieser Art von Manga vertraute Menschen nicht leicht zu verstehen sein dürften.

Das Titelbild des sechsten und letzten Bandes von „Cells at Work“.Foto: Manga Cult

„Cells at Work“ ist einer der originellsten Beiträge zu einer ständig wachsenden Gruppe von Veröffentlichungen, die man inzwischen als eigenes Genre zusammenfassen kann: Covid-Comics. Einige Dutzend Publikationen haben sich in den vergangenen zwei Jahren mit dem Coronavirus und seinen Folgen beschäftigt, regelmäßig kommen weitere hinzu.

Impfwerbung mit Olivia Vieweg, Flix und Barbara Yelin

Die aktuellsten Beiträge finden sich im Internet, wo die gezeichnete Seite von der Veröffentlichung nur ein paar Klicks entfernt ist. Besonders nah am Puls der Zeit ist, wie bereits 2020 im ersten Corona-Sommer, der Internationale Comic-Salon Erlangen. Dessen Team hat nach dem damaligen Projekt „Zeich(n)en aus dem Homeoffice“ jetzt unter dem Titel „Zeich(n)en fürs Impfen“ Dutzende Künstler:innen aufgefordert, kurze Beiträge zum Thema zu liefern.

Dieser Beitrag für die Kampagne „Zeich(n)en fürs Impfen“ stammt von Barbara Yelin.Foto: Internationaler Comic-Salon Erlangen

Ging es damals noch um die Invasion der Pandemie in unser aller Alltag, stehen nun der Kampf gegen das Virus und der Aufruf zur Teilnahme an der Impfkampagne im Zentrum der Arbeiten von Olivia Vieweg, Flix (der das Marsupilami zum Impfbotschafter macht), Barbara Yelin, Ulf K., Katharina Greve und zahlreichen anderen namhaften Comicschaffenden.

Ein Panel aus Olivia Viewegs Beitrag für „Zeich(n)en fürs Impfen“.Foto: Internationaler Comic-Salon Erlangen

Neben einigen eher didaktischen Beiträgen mit Appell-Charakter finden sich hier viele humorvolle Arbeiten und auch einige Strips, die einen ähnlich unterhaltsamen Zugang wie „Cells at Work“ gewählt haben, so Andreas Hartung, der einen abenteuerlichen Kurzcomic beisteuert. Und Michael Jordans „Twin Pieks“ verdient zumindest eine Preis für den besten Titel zum Thema.

Geschlossene Türen, eine Toilette, eine Flasche Wein

Sehr aktuell ist auch das Online-Tagebuch des aus Beirut stammenden und in Berlin lebenden Zeichners Mazen Kerbaj. Er lässt das Publikum unter dem Titel „The Corona Diaries“ an den Erlebnissen seiner vierköpfigen Familie teilhaben, deren Mitglieder nach und nach an Covid-19 erkranken.

Ein Bild aus Mazen Kerbajs „The Corona Diaries“.Foto: Mazen Kerbaj

Grafisch einprägsame Bilder vermitteln die Beschränkungen der häuslichen Quarantäne oder den erschütternden Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn: Jede Seite zeigt in Großaufnahme Objekte wie geschlossene Türen, eine Toilette oder eine Flasche Wein, die er in mehrere Panels aufteilt und dann als Rahmen der sequenziellen Erzählung nutzt.

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Darüber hinaus sind in jüngster Zeit auch mehrere gedruckte Beiträge zum Thema veröffentlicht worden, die vor allem als Rückschau auf die seit zwei Jahren alles beherrschende Pandemie interessant sind – wenn auch nicht jeder Titel gleichermaßen überzeugen kann.

Sie planten eine Reise, dann kam alles ganz anders

Eine der stärkeren Veröffentlichungen zum Thema ist Greta von Richthofens „Das Gute am Ende des Tages“ (Jaja, 234 S., 20 €). In dem Buch, das zuerst im Selbstverlag veröffentlicht wurde, lässt die in Kassel ausgebildete Zeichnerin das Publikum an ihrem Alltag Anfang 2020 teilhaben. Nach dem Studium war eine abenteuerliche Spanien-Reise mit ihrem Freund in einem ausgebauten Lieferwagen geplant, dann kam alles ganz anders.

Das Titelbild und einige Innenseiten von „Das Gute am Ende des Tages“.Foto: Greta von Richthofen

Von Richthofen gelingt es, ihre damaligen Gefühle in handwerklich perfekten Bildern und mit einer Portion Humor gut zu vermitteln, auch wenn einigen Passagen eine Verdichtung gutgetan hätte.

Ihre Stärke liegt darin, persönliche Erlebnisse und Gefühle so zu schildern, dass hinter dem individuellen Schicksal allgemeinere Themen wie das Verhältnis von Nähe und Distanz oder die Fragilität der menschlichen Existenz erkennen lassen, die durch die Pandemie für viele Menschen an Dringlichkeit gewonnen haben.

Video-Treffen mit Freunden und einsame Kochabende

Zeichnerisch ansprechend, aber erzählerisch weniger intensiv sind die „Corona Diaries“ (Kibitz, 96 S., 18 €) von Jutta Bauer geraten. Darin erzählt die renommierte Hamburger Illustratorin in Tagebuchform von 40 Tagen während des Lockdowns im Frühjahr 2020.

Eine Seite aus Jutta Bauers „Corona Diaries“.Foto: Kibitz

Tuschezeichnungen, Notizen und Skizzen vermitteln anschaulich, wie der Alltag der Autorin – und ungezählter anderer Menschen – in jener Zeit aussah, von Video-Treffen mit Freunden und Familie über einsame Kochabende bis zu jenen erlösenden ersten Ausflügen unter Menschen gegen Ende des Lockdowns.

Visuell ist die Lektüre dieses Buches eine Freude. Bauer, die sich als Kinderbuchzeichnerin einen Namen gemacht hat, verfügt über einen locker-lebendigen Strich, der an französische Meister wie Sempé oder Luz erinnert. Aber inhaltlich ist manches dann doch leider so monoton, wie es die Lockdown-Tage waren.

Mit der Familie in Quarantäne

Das gilt noch einmal mehr für das im Selbstverlag veröffentlichte Büchlein „Unter Quarantäne“ (16 S., 3,50 €, erhältlich bei kwimbi.de) des bei Hamburg lebenden Comiczeichners Till Felix. In textlastigen Panels schildert der Ich-Erzähler den Alltag seiner Familie nach einem positiven Corona-Test seiner Frau.

Eine Szene aus „Unter Quarantäne“.Foto: Till Felix

Wie bei einem gefilmten Interview schaut Felix sein Publikum direkt an und erzählt chronologisch den Verlauf der Quarantäne nach. Außer vereinzelten Szenen mit seiner Familie gibt es kaum visuelle Abwechslung, sodass es bei diesem Buch wahrscheinlich wie bei vielen Tagebüchern ist: Am spannendsten sind sie für diejenigen, die darin auftauchen.

Ein täglicher Lichtblick im grauen Pandemie-Alltag

Was man aus dem Thema alles rausholen kann, wenn man nicht nur eins zu eins den eigenen Corona-Alltag zu Papier bringt, sondern die Gegenwart mit Witz und Erzählfreude anhand fiktiver Figuren nachspielt, zeigt seit bald zwei Jahren Ralf König.

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Deutschlands wohl erfolgreichster Comiczeichner lässt seit dem Frühjahr 2020 sein dem Publikum seit Jahrzehnten vertrautes Comic-Paar Konrad und Paul online die Höhen und Tiefen der Pandemie erleben, ergänzt durch herrliche Nebenfiguren wie Pauls in Coronaleugner-Kreise abgedriftete Schwester.

Eine Szene aus Ralf Königs online fortlaufendem Comic-Strip zum Corona-Alltag.Foto: Ralf König

Nach dem 2021 bei Rowohlt veröffentlichten Sammelband „Vervirte Zeiten“ geht die Reihe auf Königs Social-Media-Seiten fröhlich weiter – ein täglicher Lichtblick im grauen Pandemie-Alltag.

In einigen Wochen soll ein weiteres Buch zum Thema erscheinen, das zumindest der Inhaltsbeschreibung nach ebenfalls einen originelleren Zugang zum Thema bietet. In „Impfland“ lässt der in Berlin lebende Zeichner Federico Cacciapaglias Märchengestalten wie Hexen mit medizinischen Kenntnissen und einen der Wissenschaft gegenüber abgeneigten König aufeinandertreffen, dazu kommt der Kollateral-Drachen der Angst.

Für das Genre der Covid-Comics gilt offenbar dasselbe wie für das Virus: Es entwickelt sich ständig weiter, ein Ende ist noch lange nicht absehbar.