Ausstellung präsentiert Karikaturen des Bauhaus-Meisters Lyonel Feininger
Feininger liebte das Fahrrad. Und so passt er gut in diese Stadt, die das Fahrrad vielleicht nicht immer liebt, sich aber doch immer wieder daran reibt, und in die ein Teil des Künstlers Lyonel Feiningers in Form seiner Karikaturen nun zurückgekehrt ist.
Dabei verbindet man seinen Namen eher mit anderen deutschen Städten. Mit Weimar und mit Dessau, wo er als einer der ersten Bauhaus-Meister lehrte, malte und arbeitete, von Gründungsdirektor Walter Gropius berufen. Später diffamierten die Nationalsozialisten Feiningers Kunst als entartet, und der gebürtige Amerikaner musste in die USA zurückkehren.
Bevor er ans Bauhaus ging, hatte Feininger dreißig Jahre in Berlin gelebt und sein Geld als Karikaturist für Zeitungen und Magazine wie die „Lustigen Blätter“, den „Ulk“ und die „Berliner Illustrirte Zeitung“ verdient. Zwischen 1888 und 1915 erschienen mehr als 2000 Zeichnungen. Gut 100 davon sind nun in der Galerie Parterre in Pankow zu sehen . Die Ausstellung geht auf eine Initiative des Kunsthistorikers Roland März zurück, der vergangenes Jahr verstorben ist.
Es ist ein Ritt durch die Geschichte und zugleich eine Annäherung an den jungen Künstler, der die von den Redaktionen vorgegebenen Themen umsetzen musste und dabei doch die künstlerische Freiheit nutzte, seinen eigenen Stil weiterzuentwickeln.
„Hassliebe“
Feininger, so erzählt es der Kunsthistoriker Björn Brolewski bei einer Führung durch die Ausstellung, beschrieb das Verhältnis zu seiner Zeit als Karikaturist einmal als „Hassliebe“. Er war froh, sie hinter sich zu lassen, wusste aber auch, was sie ihm gebracht hatte – finanziell wie künstlerisch.
Viele Karikaturen zeigen die politischen Großereignisse der Zeit: das beginnende Wettrüsten zwischen Großbritannien und dem Deutschen Kaiserreich, den Bau der Transsibirischen Eisenbahn, den Boxeraufstand in China gegen die imperialistischen Bestrebungen fremder Mächte, zu denen auch Deutschland gehörte.
Dabei griff Feininger auf kolonialrassistische Motive und Stereotype zurück: So zeichnete er etwa chinesische Menschen mit grotesken Proportionen und gelber Hautfarbe. Er bediente damit eine Überlegenheitshaltung, die damals tief verwurzelt war in der deutschen Gesellschaft.
Die Galerie Parterre zeigt, wie mit diesem Thema zeitgemäß umgegangen werden kann: Die Ausstellung ordnet den Kolonialrassismus kritisch ein, gibt Hintergrundinformationen zu den einzelnen Zeichnungen, problematisiert, ohne den Künstler zu verurteilen.
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Ein wiederkehrendes Motiv in Feiningers Zeichnungen ist der Berliner Verkehr. Da ist etwa die wunderbare Karikatur „Leipzigerstrasse 1995“, mit der Feininger 90 Jahre vorher, also 1905, eine Vision der Berliner Straße entwarf, wie sie aktueller nicht sein könnte: Auf der Leipziger Straße wachsen zwischen den Häuserreihen hohe Bäume und Gras, Rehe stehen friedlich darauf, und eine Person liest in einer Hängematte liegend ein Buch.
Der Großstadtverkehr ist unter die Erde verlegt worden: Dort sieht man Autos, Züge nach Potsdam, eilende Menschenmengen – und natürlich Fahrräder, wie auf so vielen weiteren Blättern. Eines trägt den Titel „Klage des verunglückten Radlers“. Sie dürfte mancher heutigen Berliner:in bekannt vorkommen.
Das Verkehrsgetümmel taucht auch bei einem anderen großen Berliner Karikaturisten seiner Zeit auf, den die Galerie Parterre Feininger gegenüberstellt: Heinrich Zille. Zeitweise zeichneten beide für die gleichen Zeitungen, bislang war allerdings unklar, ob sie sich persönlich kannten.
Doch in der Woche der Ausstellungseröffnung wurde ein Dokument im Archiv der Akademie der Künste entdeckt. In einem Brief an den Architekten Adolf Behne schreibt Feininger, dass Zille ihn „künstlerisch garnicht interessieren kann (trotzdem ich ihn persönlich sehr schätze, weil er ein ganzer Mensch ist!“
Im Vergleich der beiden Künstler fällt auf: Wo Zille nah an den Menschen war, interessierte sich Feininger viel mehr für die Natur, die Architektur und ihre Formen. Die Gegenüberstellung der beiden hebt gerade durch diesen Kontrast die Schwerpunkte Feiningers hervor und zeigt die Bandbreite der Berliner Karikaturistenkunst um 1900.
Feiningers Enkel schließt den Kreis
Feininger selbst nutzte oft das Fahrrad, um die Ortschaften rund um Berlin zu erkunden und verschiedene Motive einzufangen. Von diesen Dorf- und Landschaftsansichten, meist Radierungen, sind auch einige in der Ausstellung zu sehen. Insbesondere „Teltow I“ von 1914 und „Teltow II“ von 1916 verweisen schon auf die Bilder mit den scharfen Kanten, für die Feininger später so berühmt wurde.
Für seinen Enkel Conrad Feininger ist es das erste Mal, dass er eine Vielzahl der Karikaturen im Original bestaunen kann, bislang hat er sie nur in Büchern gesehen. Er sei „sehr begeistert“ und vor allem auch „glücklich, den Kreis zu schließen“, sagt er bei einem Ausstellungsbesuch. Letzteres habe sein Vater T. Lux Feininger, der am Bauhaus studiert hatte, nicht gekonnt. Nach den Gräueltaten des Nationalsozialismus wollte er nicht wieder nach Deutschland zurückkehren.
Conrad Feininger aber ist vor Kurzem aus den USA nach Dessau gezogen. Hier möchte er sich für eine Lyonel Feininger-Kultur-Route engagieren, die als deutsch-polnisches Freundschaftsprojekt an der Ostsee entstehen soll. Dort machte Lyonel Feininger oft Urlaub, mit Familie – und dem geliebten Fahrrad.
„Lyonel Feininger in Berlin mit einem Exkurs zu Heinrich Zille“, Galerie Parterre Berlin, Danziger Straße 101, 10405 Berlin, bis zum 12. September, Mittwoch bis Sonntag von 13 bis 21 Uhr, Donnerstag von 10 bis 22 Uhr. Der Eintritt ist frei.