Noch mehr Flexibilität für den 1. FC Union

Michael Parensen ist seit einem Jahr Assistent von Oliver Ruhnert und zumindest die charakteristische Körperhaltung des Berliner Managers hat sich der langjährige Profi bereits angeeignet. Anfang dieser Woche stand der 35-Jährige beim 1. FC Union lässig an einen Zaun gelehnt am Rande des Trainingsplatzes und beobachtete mit dem Handy am Ohr das Geschehen auf dem Rasen. Wenige Tage zuvor war auch Dauertelefonierer Ruhnert im Kurztrainingslager in Bad Saarow in ähnlicher Pose zu sehen gewesen. Sommerzeit ist Transferzeit – und Union mal wieder deutlich schneller als große Teile der Konkurrenz. „Es hat uns in der Vergangenheit immer geholfen, wenn man die Jungs frühzeitig im Training hat“, hatte Trainer Urs Fischer schon zum Auftakt vor anderthalb Wochen gesagt.

Jordan Pefok (rechts) und Michael Parensen nach dem Medizincheck.Foto: Imago/Matthias Koch

Sieben Neuzugänge hatten die Berliner zu diesem Zeitpunkt bereits perfekt gemacht und in den vergangenen Tagen hat Ruhnert mit seinem Team auch die letzte große Baustelle in Rekordtempo beseitigt: den Angriff. Am Samstag bestätigte Union den Abgang von Taiwo Awoniyi zu Nottingham Forest, am Mittwoch verkündete der Klub die Vertragsverlängerung mit Sheraldo Becker und am Donnerstag folgte die Verpflichtung von Jordan Pefok für kolportierte sechs Millionen Euro von den Young Boys Bern.

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Der 1,90 Meter große Angreifer kommt mit der Empfehlung von 22 Saisontreffern als Schweizer Torschützenkönig nach Köpenick und soll Awoniyi im Sturmzentrum ersetzen. „Ich möchte mich in der Bundesliga beweisen und bin überzeugt, mit Union den richtigen Verein gefunden zu haben. Ihr Spielstil passt sehr gut zu mir“, wird der 26-Jährige in einer Vereinsmitteilung zitiert. Mit bürgerlichem Namen heißt der US-Amerikaner Theoson-Jordan Siebatcheu, auf eigenen Wunsch stand auf seinem Trikot in der Nationalmannschaft und bei den Young Boys aber Pefok, der Mädchenname seiner Mutter. Auch auf seinem Twitter-Account macht er seinen Wunsch deutlich: „Nennt mich Pefok“, ist dort ganz weit oben zu lesen. Laut DFL-Regularien darf auf dem Trikot allerdings nur der Name aus dem Personalausweis oder ein eingetragener Künstlername wie bei Andreas „Zecke“ Neuendorf stehen.

Pefok wurde als Kind kamerunischer Eltern in Washington, D.C. geboren, die Familie zog aber bald nach Frankreich, wo er bei Stade Reims ausgebildet wurde. 2018 wechselte er nach Rennes und gewann dort den nationalen Pokal. 2020 verliehen ihn die Franzosen nach Bern und nach einer starken ersten Saison – mit drei Treffern in der Europa League gegen Leverkusen – verpflichteten ihn die Schweizer für 2,5 Millionen Euro fest. In der vergangenen Spielzeit wurde er als erster US-Amerikaner Torschützenkönig in einer europäischen ersten Liga.

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Im Gegensatz zu Awoniyi gehört das Kopfballspiel zu Pefoks großen Stärken, allein in der vergangenen Saison traf er auf diese Weise acht Mal. Der US-Nationalspieler ist ein echter Strafraumstürmer. Dafür bleibt abzuwarten, inwieweit er die Wucht und die cleveren Laufwege des Nigerianers im Konterspiel ersetzen kann. Ruhnert ist sich dennoch sicher, dass Pefok ein Stürmer ist, „der mit seiner Art Fußball zu spielen gut zu uns passen wird.“

Dieses Vertrauen basiert zum einen auf dem Scouting der Berliner, das in den vergangenen Jahren immer wieder relativ unbekannte Spieler identifiziert hat, die sich dann exzellent entwickelt haben. Zum anderen aber auch auf der Wandlungsfähigkeit von Trainer Fischer. In seinen vier Jahren in Berlin hat der Schweizer die Mannschaft stets weiterentwickelt und den Spielstil dem vorhandenen Spielermaterial angepasst. Mit Sebastian Andersson spielte Union oft hoch, die Ankunft von Max Kruse brachte kreative Elemente, nach seinem Abgang wurde die Geschwindigkeit von Awoniyi und Becker die neue Waffe des Berliner Angriffs. Wenn Ruhnert sagt, dass Pefok „in verschiedenen Spielsystemen agieren kann“, ist das durchaus als Hinweis auf mögliche Änderungen in der Statik von Unions Angriff zu lesen.

Sheraldo Becker hat seinen Vertrag beim 1. FC Union am Mittwoch verlängert.Foto: IMAGO / Jan Huebner

Die Vertragsverlängerung von Becker ist dabei ein weiterer entscheidender Punkt, denn in den letzten Monaten der vergangenen Saison hat der 27-Jährige mit seiner enormen Schnelligkeit einen weiteren großen Entwicklungssprung gemacht. Fünf seiner zehn Scorerpunkte gelangen ihm an den letzten sechs Spieltagen und damit hatte er wesentlichen Anteil am starken Berliner Schlussspurt, der in der Qualifikation für die Europa League kulminierte.

Mit Becker und Neuzugang Jamie Leweling hat Union nun zwei Offensivkräfte mit Stärken im Eins-gegen-eins, die den kopfballstarken Pefok von den Flügeln mit Flanken füttern oder selbst den Abschluss suchen können. Gerade gegen tiefstehende Gegner könnte diese Herangehensweise Unions Spiel eine neue Qualität geben.

Fischers bevorzugtes 3-5-2-System könnte also durchaus Konkurrenz bekommen und Union noch variabler werden. Mit Sven Michel, Andreas Voglsammer und Kevin Behrens haben die Berliner schließlich noch weitere Optionen – für die nötige Rotation in drei Wettbewerben und allerlei taktische Überlegungen.