Neue Mitbewohner im Schloss Bellevue
Karl Friedrich Schinkel hätte das Schloss Bellevue gerne gedreht. 1823 soll er vorgeschlagen haben, die Fassade des klassizistischen Baus repräsentativ zur Spree hin auszurichten. Dieser kühne Gedanke, der dann doch nie in die Realität umgesetzt wurde, ist aber nicht der Grund, warum der berühmte preußische Baumeister jetzt mit Porträtbüste und mehreren Werkproben im Schloss Bellevue verewigt ist.
Vier Räume im Amtssitz des Bundespräsidenten wurden neu mit Kunst dekoriert, dazu gehört der „Karl-Friedrich-Schinkel-Salon“ im oberen Stockwerk des 1786 erbauten Schlosses, in dem nun Architekturzeichnungen von Schinkels Berliner Highlights zu bewundern sind: Schauspielhaus, Bauakademie, Friedrichswerdersche Kirche. Mit feinem Strich detailreich vom Meister skizziert, eigentlich zu kühl, zu still als Schlossdekoration.
Im November vergangenen Jahres war bereits der Robert-Blum-Saal in Bellevue eingeweiht worden. Die Gemälde, unter anderem von Robert Blum, dem hingerichteten Paulskirchen-Abgeordneten, sollen an die Wurzeln der deutschen Demokratie im 19. Jahrhundert erinnern. Dieser Weg, im Amtssitz des Bundespräsidenten die deutsche und preußische Demokratiegeschichte zu erzählen, wird nun fortgeführt.
Visitenkarte des geeinten Deutschland
Am Freitagmittag wurde die neue Kunstausstattung vorgestellt. Es ist Kurator Jan Mende, der sonst am Berliner Stadtmuseum tätig ist, zu verdanken, dass sie so frisch wirkt. Mende verzichtet auf Monumentalplastiken und bauchige Vasen, die man in solchen Räumen vielleicht erwarten würde. Er wollte überraschen und der Bundespräsident hat sich darauf eingelassen.
Zur ersten Präsentation sind auch etliche Museumsdirektor:innen gekommen, ohne deren Leihgaben die Hängung nicht zustande gekommen wäre; unter anderen Johannes Vogel vom Berliner Naturkundemuseum, Ralph Gleis von der Alten Nationalgalerie, Marion Ackermann von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
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Es sei gar nicht so leicht, den Amtssitz des Bundespräsidenten mit Kunst auszustatten, erzählt Jan Mende in einer kurzen Rede. Die konservatorischen Bedingungen seien nicht optimal, das Haus nicht für die breite Öffentlichkeit zugänglich, was manchen Museumschef zögern lässt. Umso glücklicher sind alle, dass mehrere Porträts verschiedener Geistesgrößen des Dresdner Hofmalers Anton Graff gezeigt werden können.
Die Kunst im Schloss wird überwiegend von Gästen gesehen
Die Inneneinrichtung von Schloss Bellevue ist nicht prunkvoll, aber elegant. Vorhänge in warmen Farben, moderne, weiche Teppiche, die Möbel stilvoll, aber schlicht. Die Galerie im Erdgeschoß war lange mit Nagelbildern von Günther Uecker bestückt. Diesen Raum ließ der Bundespräsident schon im November 2020 neu ausstatten. Gewählt wurde junge, wesentlich diversere Kunst, etwa von Astrid Klein, Judith Hopf oder Kader Attia.
Es ist eben nicht egal, mit welcher Kunst sich der Bundespräsident umgibt. Es sagt viel aus, über das Land und die Werte, die er vertritt. Vor allem die Besucher und Besucherinnen des Bundespräsidentenpaares – Politikerinnen, Bürger, ausländische Staatsgäste – werden die neu dekorierten Räume sehen, sie werden darin sitzen, parlieren, dinieren. Beschriftungen für die ausgewählten Werke gibt es nicht. Die Stücke dienen auch als Gesprächsangebot.
Der ehemalige „Gartensalon“ ist jetzt der Epoche der Aufklärung gewidmet und nennt sich „Salon Voltaire“. Kurator Jan Mende spielt darin unter anderem auf die Verbindung zwischen dem französischen Philosophen Voltaire und Friedrich II. an, auch wenn es später zum Zerwürfnis zwischen den Brieffreunden kam. Neben einem Sofa stehen Büsten von Kant, Voltaire und Friedrich, in schwarzer Bronze, weißem Gips und farbigem Stein. Wie sich deren Blicke kreuzen, hat etwas Schelmisches.
Jüdische Salonkultur im 18. Jahrhundert
Zum geistigen Preußen gehören für Steinmeier auch die Debatiersalons aus der Zeit um 1800, wie ihn die jüdische Intellektuelle Rahel Varnhagen veranstaltete. Man will im Schloss auch den Beitrag der Frauen würdigen, deren „geistige Unabhängigkeit und Courage“, wie Steinmeier in seiner Rede am Freitagmittag sagt.
Das ehemalige „Damenzimmer“ in Schloss Bellevue trägt jetzt den viel eleganteren Namen „Salon Rahel Varnhagen“. Die beiden Gemälde von Max Liebermann, die über der Sitzgruppe hängen, durften bleiben. Neu sind die Porträts von Rahel Varnhagen und eine Heliogravur von Henriette Herz sowie eine Büste der damals sehr berühmten Schauspielerin Friederike Bethmann-Unzelmann. Unzelmann war, wie Henriette Herz, eine enge Freundin von Varnhagen und nahm aktiv an den Salons teil. Ihr Abbild zeigt sie mit kurzem Haar und fließendem Kleid, ein freiheitlicher emanzipierter Look, den damals nur sehr fortschrittliche Frauen wagten und der wenige Jahre später wieder verschwand.
Gesteinsproben von Alexander von Humboldt
Steinmeier, der kürzlich eine kritische Eröffnungsrede im Humboldt Forum hielt und vor zwei Jahren eine Reise auf den Spuren Alexander von Humboldts nach Lateinamerika unternahm, wünschte sich auch einen „Gebrüder- Humboldt-Salon“. Im Südflügel von Schloss Bellevue hat sich Kurator Jan Mende eine besondere Volte einfallen lassen. Zwar hängen an der Stirnseite recht erwartbar die Porträts der beiden Brüder, des Bildungsmodernisierers Wilhelm und des Geologen und Weltreisenden Alexander.
Die Längsseite aber ist mit Gesteinskästen bestückt. Ihr Inneres ist royalblau gestrichen, so kommen die Feueropale und Quarze, die Limonite und Granate aus Mexiko, Peru oder Russland besonders gut zur Geltung. Insgesamt 39 Gesteinsproben, die Alexander von Humboldt von seinen Forschungsreisen mitgebracht hat, sind ausgestellt, kostbare Leihgaben aus dem Berliner Naturkundemuseum. Welches Staatsoberhaupt hat schon eine Steinsammlung in seinen Amtsräumen, noch dazu eine so geschichtsträchtige?
Sicher wird Frank Walter Steinmeier das ein oder andere Mal auch erzählen, dass Alexander von Humboldt direkt vor der Tür, quasi im Garten von Schloss Bellevue, seine Messungen zum Erdmagnetismus durchführte. In wie viele Richtungen werden sich die Gespräch in diesen Räumen entwickeln? Von der Schönheit der Natur, über den Mut des Entdeckers bis zu Klimawandel, Ausbeutung und Verschwörung – alles ist drin.