Zugedröhnt am Netz

Stanley Sugarman hat ein Näschen für Talent. Er umrundet die Welt im Auftrag der Philadelphia 76ers, immer auf der Suche nach unentdeckten Jung-Basketballern für das NBA-Team. Scouting nennt sich dieser Job, und er ist alles andere als einfach. Doch Stanley (Adam Sandler) hat auch die Gabe, selbst beim vielversprechendsten Nachwuchs noch den entscheidenden Makel zu finden.
Die Spieler sind mal zu unbeherrscht, zu verletzungsanfällig, insgeheim zu alt oder schlicht zu zugedröhnt. Das zeigt der Netflix-Film „Hustle“ in einer Auftaktmontage, mit der Regisseur Jeremiah Zagar den Ton setzt für seinen Crowdpleaser: mit zügigen Schnitten, pointierten Dialogen und viel Musik. Man hat sogleich das Gefühl, diesmal könnte die Feelgood-Formel aufgehen.

Einer bringt Stanley zum Staunen

Nur einer bringt Stanley zum Staunen: Auf einem Bolzplatz in Spanien sieht er Bo Cruz (Juancho Hernangomez) zum ersten Mal. Einen Lulatsch, der Körper tätowiert und sehnig, die Haare kurzgeschoren. Ohne Aufhebens – und mit Arbeitsstiefeln an den Füßen – stiehlt er den Aufschneidern auf dem Platz die Show. Er trifft aus allen Lagen, blockt und findet auch mal den freien Mitspieler mit einem feinen Pass. Stanley ist sofort hin und weg.
Sandler, selbst großer New-York-Knicks-Fan, spielt das wunderbar. Er bewegt kaum die Gesichtszüge, der Mund steht ein bisschen offen, doch in seinen Augen glüht die Begeisterung.

Auf diese Weise verleiht der frühere Saturday-Night-Live-Komiker seinem Spiel Nuancen: über den Blick. Wer hätte gedacht, dass der Garant für Flachwitz-Komödien à la „Waterboy“ und „Big Daddy“ einmal zu einem derart überzeugenden Schauspieler reifen würde?
Wobei: Sandler konnte im Laufe seiner 30-jährigen Karriere immer mal wieder zeigen, was in ihm steckt.

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Zum Beispiel in Paul Thomas Andersons skurrilem Liebesfilm „Punch-Drunk Love“ (2002), später in Noah Baumbachs Tragikomödie „The Meyerowitz Stories“ (2017) und in „Der schwarze Diamant“ (2019), der filmischen Tour de Force der Safdie-Brüder. Seinen Stanley Sugarman in „Hustle“ schließt man ebenfalls sofort ins Herz. Auch wenn der den Großteil des Jahres auf Achse ist und mit seiner Frau (Queen Latifah) nur per Videocall kommuniziert.
Stanley nimmt den spanischen Rohdiamanten mit nach Amerika, obwohl der neue Team-Boss (schön durchtrieben: Ben Foster) ihn überhaupt nicht will. Auf eigene Rechnung macht er Bo Cruz fit für das Auswahlcamp, in dem sich der Nachwuchs alljährlich den NBA-Mannschaften präsentiert. Gelegenheit für den Film, jede Menge Basketballgrößen auftauchen zu lassen. An die 50 sind es insgesamt: von Anthony Edwards, der eine entscheidende Rolle als Cruz’ Nemesis übernimmt, über Dirk Nowitzki bis hin zu Julius „Dr. J“ Erving.

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Cruz selbst wird ebenfalls von einem NBA-Star gespielt, von Juancho Hernangomez (Utah Jazz). Er probiert sich erstmals als Schauspieler aus und macht seine Sache gut. Es kommt ihm entgegen, dass die Autoren Taylor Materne und Will Fetters die Figur als zurückhaltenden Familienmenschen anlegen, der seine in Spanien gebliebene Tochter (Ainhoa Pillet) vermisst. Das Drehbuch verlangt Hernangomez gerade so viel ab, wie er in der Lage ist zu zeigen.

Zwei Stunden vergehen wie im Fluge

Überraschungen hält das Skript jedoch nicht bereit. Alles läuft sowieso so, wie man es sich von einem Gute-Laune-Vehikel mit Sport-Hintergrund verspricht. Es gibt Komplikationen, die scheinbar endgültige Niederlage und dann – na, Sie ahnen es. Doch Regisseur Jeremiah Zagar, bislang vor allem mit Dokumentationen in Erscheinung getreten, verleiht der bewährten Geschichte Seele.
Gleichzeitig sind die Darsteller:innen, zu denen auch Robert Duvall und Comedian Heidi Gardner gehören, mit so viel Spielfreude bei der Sache, dass man auch ohne Basketball-Vorwissen am Ball bleibt. Die zwei Stunden vergehen wie ein Flug von Hernangomez Richtung Korb, bevor er den Ball glücklich im Netz versenkt.