Ausstellung über Architektur in Japan: Mit dem „Jetzt“ auskommen
Vor 14 Jahren hat Japan seinen höchsten Bevölkerungsstand erreicht. Seither werden die Menschen weniger – demographischer Wandel, alternde Gesellschaft, man kennt es. Und dann herrscht in Japan noch die beständige Gefahr von Erdbeben. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 markierte eine Zäsur im Land.
Was wir haben ist schon jetzt mehr als genug
Eine Schau in Basel stellt nun eine Generation junger Architekt*innen in Japan vor. Sie sind Millennials und Zoomer, und, so lautet die These der von Yuma Shinohara kuratierten Schau, sie arbeiten mit der Prämisse, dass sie der Welt nichts mehr hinzufügen wollen. Was wir haben ist schon mehr als genug. Und so unterscheiden sich die 20 vorgestellten Projekte in jeder Hinsicht von den Exponenten der japanischen Baukunst aus dem vergangenen Jahrhundert. Nichts erinnert hier an die monastische Strenge von Tadao Andos Betonbauten. Auch an die kühnen Zukunftsvisionen der Metabolisten knüpft kaum jemand an.
Stattdessen will man mit dem „Jetzt“ auskommen: Alle Architekturbüros in „Make Do With Now“ sind sich in ihrem Pragmatismus einig, man müsse mit den Gegebenheiten umgehen, die Lücken füllen und mit Vorgefundenem arbeiten. Im Eingangsbereich der Basler Ausstellung ist ein offenes Gebälk eingezogen, als würden die Bauarbeiter nur kurz Pause machen. Das Herzstück ist die Präsentation von zwanzig Projekten und ihren Geschichten, und die Ausstellung wirkt, als wären sie noch nicht zu Ende erzählt.
Kaum ein Projekt ist bloß ein Neubau, und falls doch, dann benutzen die Gebäude innovative Technologien. Zum Beispiel das „House of Marebito“ von dem Studio Vuild, ein Bau, den das Architektur-Startup 2019 in einem Dorf nahe der Stadt Nanto realisierte. Die Hälfte der Menschen in dem Ort ist über 65 Jahre alt. In der waldreichen, bergigen Gegend wählten die Macher Holz, das vor Ort geschlagen wurde, als Material. Daraus schnitt eine CNC-Fräse Module, die so leicht zusammenzusetzen waren, dass Senioren und Kinder aus der Nachbarschaft beim Bau mithelfen konnten. So haben sie am Hang des Tales ein Gästehaus errichtet. Es soll Reisenden, die ihre Verwandten auf dem Land besuchen, als zweites Zuhause dienen.
Architektur muss nicht immer Neues hinzufügen
Die Architekt*innen wollen auf die wichtigen Fragen der Zukunft blicken: Es zeichnet sich eine Stagnation der Volkswirtschaft ab. Die Auswirkungen der Klimakrise sind längst spürbar. Die Fragen, wie wohnen, wie die Zukunft des Planeten gestalten, wie zusammenleben und damit auch, wie bauen, sind zentral. Architektur ist traditionell damit beschäftigt, der Welt etwas hinzuzufügen. Umso wichtiger ist die Erkenntnis, dass sie nicht immer etwas mit Bauen zu tun haben muss. Sondern auch mit Umbauen, Nachnutzen, Wegnehmen.
Die eigenen Eingriffe auf ein Minimum reduzieren
Das Kollektiv GROUP aus Tokio hatte den Auftrag, Fertighäuser – ursprünglich für amerikanische GIs errichtet – zu Apartments für Künstler*innen umzubauen. Als die Architekt*innen zum Ideensammeln in den Gebäuden wohnten, entdeckten sie Spuren der vorherigen Bewohner*innen. Die Architekt*innen beschlossen, die eigenen Eingriffe auf ein Minimum zu reduzieren. Damit sind die Projekte eine radikale Abkehr vom Bild der Architekt:innen als alleinige Urheber.
„Make Do With Now“ zeigt eine spannende neue Generation von Architekt*innen, die eine andere Handlungsfähigkeit ausmacht: Sie arbeiten von der Peripherie aus, nutzen Lücken im System und nehmen Rollen ein, die bisher ignoriert wurden.
Sie arbeiten mit der Prämisse, der Welt nichts mehr hinzufügen zu wollen.
Kurator Yuma Shinohara