Uwe Tellkamp und sein lange verschobener Roman
Es ist in diesen furchtbaren Pandemie- und Kriegstagen auch die Zeit, in der die Verlage ihre ersten Vorschauen für den Herbst verschicken. Und siehe da, was für ein Buch wird bei Suhrkamp in der deutschsprachigen Literatur geradezu unauffällig zwischen neuen Titeln von Friedrich Ani, Durs Grünbein oder Robert Walser angekündigt?
Der neue Roman von Uwe Tellkamp. „Der Schlaf in den Uhren“ soll er heißen, als Arbeitstitel dahinter steht „Lava“, um die 900 Seiten zählt der Titel, und die Veröffentlichung ist nicht für irgendwann im Herbst geplant, sondern schon für Mitte Mai.
Doch das Wörtchen „schon“ ist in diesem Fall ein Euphemismus. Denn eigentlich sollte dieser Roman, den Tellkamp als Fortsetzung seines 2008 erschienenen Erfolgs- und DDR-Vorwenderomans „Der Turm“ geschrieben hat, 2020 veröffentlicht werden.
Dann wurde sein Erscheinen ins Frühjahr 2021 verschoben, schließlich war von ihm gar keine Rede mehr. Der Grund: mutmaßliche Missstimmigkeiten zwischen Verlag und Autor; einem Autor, der der AfD und anderen rechten Kreisen nahesteht und etwa bei einer Diskussion 2018 mit seinem Kollegen Durs Grünbein sagte, dass „95 Prozent“ aller Geflüchteten nur nach Deutschland kämen, um hier„ „in die Sozialsysteme einzuwandern“.
Es geht um die Verflechtungen von Politik und Medien
Während einer Lesung im sächsischen Städtchen Pulsnitz bekannte Uwe Tellkamp, dass seine „Turm“-Fortsetzung bis in die Gegenwart reichen würde, in das Jahr, als vor allem wegen des syrischen Bürgerkriegs fast eine Million Geflüchtete nach Deutschland kamen: „Dann gab es die wie auch immer zu bezeichnende Krise 2015, und ich habe lange an einer Passage des Buches über diese Zeit gearbeitet.“
Und er sagte weiter über seinen Roman: „Hier kämpfen Leute um Ideologien, darum, was eine Gesellschaft sein soll. Mir ging es immer um das Gesellschaftliche, und damit um das Politische, nicht als Agitation, sondern als Stoff.”
Dass es da Konfliktpotential gab zwischen Suhrkamp und Tellkamp, ist leicht vorstellbar. Man scheint sich geeinigt und zu beider Zufriedenheit den Roman fertig lektoriert zu haben. Nun also kann dieser „Gesellschaftsroman“ gelesen und geprüft, dürfen Autorengesinnung und Figurenrede säuberlich unterschieden werden.
Signierte Erstausgaben gibt es im Buchhaus Loschwitz
Wie heißt es in der Vorschau über den Helden, der an einer Chronik zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung arbeitet: „Er analysiert Ordnungsvorstellungen und Prinzipien der Machtausübung, die Verflechtungen von Politik, Staatsapparat und Medien, beobachtet die Veränderungen im alltäglichen Leben.“
Die Frage ist, ob die Zeit nicht über Uwe Tellkamp hinweggegangen ist, „Der Schlaf in den Uhren“ ein zu langer war; ob es seine Perspektive wirklich noch braucht, nicht nur wegen der Pandemie und des Krieges in der Ukraine. Denn den Gesellschaftsroman aus ostdeutscher Perspektive haben inzwischen Autor:innen wie Manja Präkels, Daniel Schulz, Hendrik Bolz oder Lukas Rietzschel geschrieben.
Tellkamps Dresdner Umfeld jedenfalls ist schon begeistert. „Endlich!!!“ (mit drei Ausrufezeichen) annonciert Susanne Dagens Buchhaus Loschwitz die Ankündigung des Romans in den sozialen Medien – und bietet zugleich die signierte Erstausgabe an.