Belarussischer Dissident Igor Bancer : „Wer sich politisch engagiert, hat nur zwei Optionen: Gefängnis oder Exil“

Herr Bancer, Sie wurden aufgrund Ihres Protests in Haft genommen, traten in einen Hungerstreik und flohen im Sommer 2022 nach Warschau. Wie bewerten Sie die aktuellen Wahlergebnisse in Belarus?
Die Lage ist paradox: Es gibt keine offenen Proteste mehr und keine sichtbare Opposition, weil die Repression jeden Widerstand zerschlagen hat. Trotzdem weiß jeder, dass Lukaschenkos Wahlergebnisse gefälscht sind und dass das Land in einer politischen Krise steckt. Wer sich engagiert, hat nur zwei Optionen: Gefängnis oder Exil. Früher konnte man sich heraushalten, doch heute reichen schon „falsche“ Kontakte oder Likes auf Instagram, um verfolgt zu werden. Trotzdem haben rund fünf Prozent der Wähler „gegen alle“ gestimmt – ein wichtiges Zeichen. Ich habe Kampagnen unterstützt, die genau dazu aufriefen. Trotz Repression lassen sich manche nicht einschüchtern und stimmen bewusst gegen Lukaschenko.