Dieses Wiedersehen macht eher keine Freude

In der Bundesliga wieder auf Kurs, der Klassenerhalt fast eingetütet, dazu der Halbfinaleinzug im DFB-Pokal – für Urs Fischer gibt es nach schwierigen Wochen aktuell wieder viele Gründe für gute Laune. Wäre da bloß nicht dieses Spiel beim VfL Wolfsburg am Samstag (15.30 Uhr, Sky). Bei den Niedersachsen hat der 1. FC Union noch nie gewonnen, nicht mal ein Tor ist den Berlinern in den bisherigen zwei Bundesligaspielen in Wolfsburg gelungen. Dass Fischer dieser Tage in Interviews und Pressekonferenzen häufig ziemlich genervt reagiert, hat aber weniger mit dieser sportlichen Bilanz zu tun als mit einem Namen: Max Kruse.

Durch die jüngsten zwei Siege hatte Union das Thema des prominenten Winterabgangs sportlich eigentlich mehr oder weniger zu den Akten gelegt. Doch das schnelle Wiedersehen nur etwa einen Monat nach seinem Fünf-Millionen-Euro-Transfer führt nun erneut zu einer Fokussierung, die Fischer gar nicht gefällt. „Es geht um Wolfsburg, nicht um das Wiedersehen mit Max“, sagte der Schweizer in der Pressekonferenz am Donnerstag. „Zu dem Thema wurde schon genug gesagt, dazu werde ich mich nicht mehr äußern.“

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Das hätte sich Fischer auch von Kruse gewünscht, wie er vor wenigen Tagen in einem Interview erklärte: „Mich hat nur eins gestört: dass er überhaupt was gesagt hat. Ich bin der Meinung: Wenn du einen neuen Weg gehst, geh ihn. Aber ohne irgendwas zu erzählen. Geh! Hast dich ja entschieden. Darfst du auch! Aber sag nichts mehr“, sagte Fischer der „Süddeutschen Zeitung“. Zuvor hatte sich Kruse in verschiedenen Medien zu seinem Wechsel geäußert und dabei neben dem in Wolfsburg deutlich höheren Gehalt auch die aus seiner Sicht zu geringen Einsatzzeiten bei Union als Grund genannt.

So sehr das Kruse-Thema die Berliner auch nervt, müssen sie froh sein, dass das Wiedersehen am Samstag und nicht schon vor einer Woche stattfindet. Denn immerhin ist die vorherige Flaute mit drei Niederlagen ohne eigenen Treffer beendet, die in der Öffentlichkeit immer wieder in Zusammenhang gebracht wurde mit dem Abschied des „Unterschiedsspielers“, wie ihn Fischer häufig nennt. So bleibt dem Trainer immerhin die Frage erspart, ob Union ohne Kruse überhaupt noch gewinnen kann?

Sheraldo Becker (2.v.r.) traf in den vergangenen beiden Spielen und ist momentan die klare Nummer eins im Berliner Sturm.Foto: imago images/Matthias Koch

Speziell der Sieg im Pokal gegen St. Pauli am Dienstag gibt Union eine gewisse Ruhe – und das hat viel mit Sheraldo Becker zu tun. Der gebürtige Niederländer, der mittlerweile für die Nationalmannschaft von Suriname spielt, hatte sich noch im Herbst über seine seltenen Einsätze beschwert. Damals harmonierten Kruse und Taiwo Awoniyi derart herausragend, dass Becker nur als Joker oder im Zuge der Rotation auf den Platz durfte.

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Doch mittlerweile ist der schnelle Außenstürmer nicht mehr aus der Startformation wegzudenken. „Sheraldo ist gut unterwegs, er kreiert Möglichkeiten, er schießt Tore – ein sehr schönes gegen Mainz, ein sehr wichtiges gegen Pauli“, lobte der Trainer. „Natürlich rutschst du in der Hierarchie ein Stück nach oben, wenn du solche Leistungen abrufst.“ Neben Becker dürfte Andreas Voglsammer nach seiner guten Leistung als Einwechselspieler im Pokal den Vorzug bekommen vor Awoniyi.

Wolfsburgs Trainer Florian Kohfeldt wollte die Personalie Kruse ebenfalls nicht überbewerten, wirkte dabei aber deutlich weniger genervt als Fischer. In den heutigen Zeiten mit ausführlichsten Videoanalysen brauche er nicht bei Kruse nachzufragen, um etwas über Unions Stärken und Schwächen herauszufinden. Auch sonst rechnet er sich keine Vorteile durch dessen Insiderwissen aus. „Max weiß, was die anderen machen, aber die wissen auch, was er macht. Das wiegt sich auf“, sagte Kohfeldt. Mit Kruse hat Wolfsburg aus vier Spielen sieben Punkte geholt, Union im selben Zeitraum nur drei. Dennoch war Kohfeldt voll des Lobes für die Berliner: „Man kann den Hut nicht tief genug ziehen vor Union. Was sie die letzten Jahre geleistet haben und auch jetzt wieder leisten, verdient großen Respekt.“