Debatte um Teodor Currentzis: Konzertdirektion gibt vor Berliner Konzert Statement ab

Am Dienstag dirigiert Teodor Currentzis in der Berliner Philharmonie ein Konzert mit seinem Orchester Utopia, einem neu gegründeten internationalen Ensemble mit 112 Musiker:innen aus 28 Ländern. Auf dem Programm stehen Strawinsky und Ravel. Der griechische Dirigent, der die russische Staatsbürgerschaft besitzt, war kürzlich wegen seines Schweigens zu Putins Angriffskrieg in der Ukraine erneut in die Kritik geraten.

Die veranstaltende Konzertdirektion Adler hat im Vorfeld des Berliner Konzerts nun ein Statement abgegeben. Darin heißt es, das Ensemble habe Adler „vertraglich versichert dass das Orchester Utopia weder durch Gelder, noch durch wirtschaftliche Ressourcen, die im Eigentum oder Besitz der in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Einrichtungen und Organisationen sind, direkt oder indirekt gefördert wird“.

Das bedeutet, dass Utopie nicht durch fragwürdige russische Gelder mitfinanziert wird: Die EU-Verordnung regelt seit 2014 die Sanktionen gegen Personen und Einrichtungen, die die Souveränität der Ukraine bedrohen.

Die Erklärung steht damit im Widerspruch zu jener des Intendanten der Kölner Philharmonie, Louwrens Langevoort, der kürzlich ein für Januar geplantes Konzert des SWR-Symphonieorchesters unter Leitung von Currentzis als dessen Chefdirigent absagte.

Ein halbes Jahr nach Kriegsausbruch sollte „eine Haltung zu der politischen Lage erkennbar sein sollte“, so Langevoort. Die Aktivitäten und Finanzierung von Currentzis‘ Ensembles MusicAeterna und Utopia ließen „vermuten, dass er dem russischen Regime sehr nahesteht“. Die Chöre und das Orchester von MusicAeterna hatten lange ihren Sitz in Novosibirsk und Perm, seit 2019 sind sie in St. Petersburg beheimatet, sie werden von der regime-nahen, sanktionierten VTB-Bank gesponsort. Utopia wird von privaten europäischen Sponsoren unterstützt, vor allem durch die Kunst-und-Kultur-DM-Privatstiftung von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz, der als Rechtspopulist gilt.

12,1 Milliarden Euro habe Deutschland für fossile Importe an Russland zuletzt bezahlt, so Adler

Currentzis, dessen herausragende experimentelle Musikarbeit von Putins Regime gefördert und gefeiert wird, schweigt seit Kriegsbeginn zur russischen Aggression in der Ukraine. Mit dem SWR-Symphonieorchester tritt er derzeit nicht häufig auf, Ende September wurde bekanntgegeben, dass François-Xavier Roth 2015 den Posten übernimmt.

Das Statement der Konzertdirektion Adler geht darüber hinaus generell darauf ein, dass „die Gemengelage aus Kunst, Kulturfinanzierung und Verantwortung für die Sache als auch den ausführenden Menschen gegenüber“ unter der vorherrschenden Eskalationslogik des Krieges immer komplizierter werde. Auch Deutschland müsse sich den berechtigten Vorwurf gefallen lassen, Putins Regime nicht unerheblich mitzufinanzieren. Adler verweist auf Zahlen des Centre for Research on Energy and clean Air: Von Kriegsbeginn bis Juni habe Deutschland an Russland 12,1 Milliarden Euro für fossile Importe überwiesen.

Die komplexe Welt könne nicht in Gut und Böse sortiert werden, heißt es weiter in der Erklärung. „Kultur hat die Aufgabe, Mehrdeutigkeit zu lehren, Zwischentöne hörbar zu machen, die vielen Facetten des Menschseins zu beleuchten“, sie sollte differenziertes Denken fördern, heißt es in der Erklärung. Zitiert wird auch der Satz Daniel Barenboims: „„Russische Kultur ist nicht das Gleiche wie russische Politik.“

Als Konzertveranstalter liege ihnen der kulturelle Austausch über die Grenzen hinweg am Herzen. Unter anderem verweist Adler auf das ebenfalls von der Direktion organisierte Konzert des Nationalen Sinfonieorchesters der Ukraine am 31. Oktober, ebenfalls in der Philharmonie.    

Zur Startseite