Hamburger Bahnhof samt Rieckhallen: Berlin und der Bund übernehmen den Kunststandort
Nun ist es amtlich, auch wenn sich noch keiner der Beteiligten zunächst aus der Deckung wagen wollte: Der Hamburger Bahnhof und die benachbarten Rieckhallen sind als Standort für zeitgenössische Kunst gesichert.
Nach einem Spitzengespräch im Kanzleramt mit der Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), steht das Tableau für die Vertragsunterzeichnung. Für den Dienstag kündigten Bund und Bundesland Berlin eine gemeinsame Pressekonferenz mit Roth und Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey an.
Es seien noch Detailfragen zu klären, die den Kern der Vereinbarungen aber nicht gefährden, hieß es bereits am Donnerstag vergangener Woche. Berlin erwirbt von CA Immo, einem Immobilienkonzern mit Hauptsitz in Wien, der mit eigenen Niederlassungen in sechs Ländern Zentraleuropas vertreten ist, die Rieckhallen als Ausstellungsort für die zeitgenössische Kunst neben dem Hamburger Bahnhof in Mitte.
Letzteren Standort erwirbt der Bund – der dort bisher Mieter war – über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Berlin unterschreibt erst, wenn auch der Bund erwirbt – wenn es also zu einer großen Lösung kommt.
Der österreichische Immobilienkonzern hatte zur Jahrtausendwende das fast 60 Hektar große Gebiet übernommen auf dem die Europacity gebaut wurde. Darauf steht auch der Hamburger Bahnhof.
Bereits Roths Amtsvorgängerin, Monika Grütters (CDU), hatte über einen Erwerb des Hamburger Bahnhofs verhandelt. Sie sagte im September 2021 nach der Unterzeichnung einer Vereinbarung über die Erhalt der Rieckhallen: „Alle Beteiligten streben eine langfristige Sicherung des Erhalts des Museums im Hamburger Bahnhof an. Ziel beider Parteien ist, schnellstmöglich eine für beide Seiten wirtschaftlich darstellbare Lösung zu erarbeiten.“ Es würden verschiedene Optionen geprüft.
Der Hamburger Bahnhof und die Rieckhallen bedingen einander.
Klaus Lederer (Linke), Senator für Kultur und Europa in Berlin
Die dafür notwendigen planungsrechtlichen Voraussetzungen und Wertgutachten liegen vor. Durch das Paket bleiben Berlin zwei wichtige Kunst- und Kulturstandorte dauerhaft erhalten. Das Ensemble aus Rieckhallen und Hamburger Bahnhof ist Teil der Nationalgalerie.
Auch wegen der Unsicherheiten über die Zukunft der Rieckhallen war die renommierte Sammlung des Unternehmers Friedrich Christian Flick aus den Rieckhallen abgezogen worden. Sie war seit 2004 künstlerische Basis für fast zwei Dutzend Ausstellungen.
Umstritten war die Leihgabe wegen der NS-Vergangenheit von Friedrich Flick, der als Rüstungsunternehmer während des Nationalsozialismus von Zwangsarbeitern profitierte. Sein Enkel beteiligte sich nicht am Entschädigungsfonds und gründete stattdessen eine eigene Stiftung.
Berlin bezahlt deutlich mehr als den Verkehrswert
Berlin bezahlt den Erwerb der Rieckhallen nun einerseits über ein Grundstücksgeschäft, andererseits in bar. Das Land ist sich mit CA Immo einig geworden, dass die 250 Meter lange Halle deutlich teuer als es ihrem heutigen Verkehrswert entspricht an das Land verkauft wird.
Nach Informationen der „Berliner Morgenpost“, die sich auf Berliner Koalitionskreise beruft, geht es um 70 Millionen Euro. Berlin hatte mit dem am Montag beschlossenen Haushalt Mittel für den Ankauf der Rieckhallen in Höhe von 78 Millionen Euro bereit gestellt.
Zudem erhält CA Immo ein Grundstück am benachbarten Humboldthafen. Der Wert dieses Grundstücks soll den Informationen zufolge auf 30 Millionen Euro taxiert worden sein. Die Österreicher konnten sich damit nur zum Teil durchsetzen; Berlin gelang es im Zusammenspiel mit dem Bund, einen Fehler der Vorgängerregierung Berlins unter Michael Müller zu korrigieren.
Ursprünglich sollte und wollte CA Immo nicht nur das Grundstück am Humboldthafen bekommen, sondern auch ein Filetgrundstück am Hauptbahnhof, bebaut unter anderem mit einem Hochhaus für CA Immo – dort wo jetzt noch das ehemalige Landeslabor Berlin Brandenburg an der Invalidenstraße mit der Hausnummer 60 steht. Dieses Labor soll abgerissen werden, um auf dem Grundstück ein neues Quartier zu schaffen.
Der Tagesspiegel hatte mehrfach über das stockende Wettbewerbsverfahren zur Errichtung des sogenannten ULAP-Quartiers berichtet, das zwischen Invalidenstraße, Alt-Moabit und Emma-Herwegh-Straße nördlich des Hauptbahnhofs errichtet wird. Namensgeber ist der frühere „Universum Landesausstellungspark“ (ULAP), Berlins hier gelegenes erstes Messegelände. Das Land will dort einen großen Verwaltungsstandort errichten.
Die Verhandler hatten Mühe, die noch von Berlins früherem Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) geschlossene Grundsatzverständigung mit den Österreichern wieder zurückzuholen. Dieses „Memorandum of understanding“ war im September 2021 abgeschlossen worden. Der bestehende Mietvertrag zwischen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der CA Immo wurde zunächst um ein Jahr verlängert. Damit immerhin war der bevorstehende Abriss vom Tisch.
Durch ein „Memorandum of understanding“ war der Abriss der Rieckhallen vom Tisch
Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hatte zum „Memorandum of understanding“ gesagt: „Der Hamburger Bahnhof und die Rieckhallen bedingen einander und sind beide für den Kulturstandort Berlin eminent wichtig.“ Berlin verfolge weiterhin das Ziel, die Rieckhallen für das Land zu sichern.
„Die Verhandlungen sind auf einem guten Weg und wir sind zuversichtlich, dass wir zu einem für das Land Berlin positiven Abschluss kommen.“ Eine aktuelle Anfrage zur bevorstehenden Vertragsunterzeichnung ließ die Kulturverwaltung unbeantwortet.
Die Schwierigkeit war, 60.000 Quadratmeter Fläche zu kompensieren, die CA Immo zunächst zugesagt war – dies erklärt den aufgerufenen hohen Kaufpreis. CA Immo, deren Unternehmenskommunikation sich auf Anfrage nicht äußern wollte, argumentierte zudem mit dem größeren Bauvolumen, das nach einem möglichen Abriss der Rieckhallen an gleicher Stelle hätte realisiert werden können.
Der Konzern, bisher noch Eigentümer des Hamburger Bahnhofs, wollte sich vom Bund weiterhin Flächen in der Immobilie sichern, sagen Insider. Dazu war allerdings der Bund nicht bereit. Ganz oder gar nicht war die Devise. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ließ Anfragen nach dem Ankauf des Hamburger Bahnhofs unbeantwortet.
Zur Startseite