Mord im Stuhlkreis

Jetzt hat es ihn wirklich erwischt. Adam Danowski, Kommissar der Hamburger Kriminalpolizei, macht an der Ostsee eine Kur. Sein letzter Fall hat ihn geschafft. Nach heiklen, stressenden Situationen, nach Tagen auf einem Kreuzfahrtschiff in Quarantäne, nach der Gefangenschaft in der Gondel einer Windenergieanlage ist es ihm alles zu viel geworden: Die Geiselnahme, die auf ihn gerichtete, geladene Pistole hatte er überlebt. Die Seelenkrise, die folgte, hat ihn dienstunfähig gemacht.

Problem-Kriminalist in der Psychofalle

Wie dieser eigenartige Mensch sich zurechtfindet in einer Lage, in der er nicht mit dem Bösen konfrontiert ist, sondern bloß mit sich selbst – das ist per se guter Stoff für eine spannende Geschichte. Der Hamburger Autor Till Raether hat seinen Protagonisten von Beginn seiner Krimipolizistenkarriere an mit einem labilen Innenleben ausgestattet. Nicht bloß, dass Danowski immer zu tun hat mit den Gedanken, die ihm die Arbeit und den Umgang mit den Kollegen erschweren. Danowski ist unfähig zu einem Polizistenhaft-klaren Umgang mit Verdächtigen und Straftätern. Gefühle, Gedanken, Erfahrungen, sein Problem mit Hierarchien und Bürokraten – das alles mischt sich in diesem Polizisten stets problematisch. Danowski-Krimis sind Psycho-Krimis. Wobei der Kommissar der Psycho ist.

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Till Raether kennt sich aus in komplizierten Seelenlandschaften, das hat mit seiner eigenen zu tun. Das Buch über seine Depressionen schaffte es auf die „Spiegel“-Bestsellerliste. In „Hausbruch“ findet sich Adam Danowski, dieser Grauzonenbewohner, komplett stillgelegt – oder besser: still gesetzt.

Redselige Leidensgenossen

Nämlich in einem Stuhlkreis mit mehr oder minder redseligen Leidensgenossen. Und während der Kommissar über einen Abschied von der Polizei nachdenkt und den Kurbetrieb teilnehmend erduldet, ereignet sich ein paar Zimmer weiter eine stille Tragödie aus Paar-Gewalt und Masochismus.

[Till Raether: “Danowski: Hausbruch”. Rowohlt Polaris, Hamburg 2021. 303 Seiten, 16 €]

Till Raether unternimmt mit diesem Krimi eine Gratwanderung: hier der Kurbetrieb, der nur mit Ironie zu ertragende Gesprächskreis. Dort die Mitpatientin mit dem Körper voller blauer Flecken und dem Sadistenmann. Nicht immer fühlt man sich ganz wohl mit einer Erzähler-Ironie, die kaum eine Figur ernst zu nehmen scheint. Aber dann wird aus dem Kurbetrieb der Hintergrund eines Todesfalls. Und der bringt Adam Danowski körperlich und seelisch an den Rand des Erträglichen. Der Grauzonenbewohner kommt, nach Wochen des dahin driftenden Grübelns über sein zukünftiges Berufsleben wieder bei sich an: hadernd, helfend und handelnd, wie es ihm sein Gewissen befiehlt.