Große Pläne auch nach der WM: Katars Sehnsucht nach Olympia

Auf weitere olympische Lobbyarbeit bei IOC-Chef Thomas Bach müssen Katars Sportfürsten beim WM-Finale unplanmäßig verzichten. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees hat die Reise zum Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft nach einer Corona-Infektion auf Anraten seiner Ärzte abgesagt. Möglich ist allerdings, dass der WM-Gastgeber schon bei Bachs Besuch beim Eröffnungsspiel mit Nachdruck hinterlegt hat, nun endlich auch Sommerspiele nach Doha holen zu wollen. 

Zwei Versuche des Golfstaats hat das IOC durchfallen lassen, die gemeisterte WM aber dürfte den Ehrgeiz der Katarer weiter befeuern. „Wir haben unseren Willen und unsere Motivation gezeigt, es auszurichten. Ich denke, es liegt auf der Hand“, sagte WM-Chef Hassan al-Thawadi.

Schon wird spekuliert, Katar könne nach Olympia 2036 greifen und die Spiele dann wie die Fußball-WM in den Spätherbst verlegen. Als Pfund könnte das Emirat mit der für viele Milliarden erbauten WM-Infrastruktur wie den Stadien und der U-Bahn wuchern. Klimatisierte Arenen, vielleicht gar eine klimatisierte Marathon-Strecke – für das schwerreiche Katar kein Problem. Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani ist schon seit 2002 auch Mitglied des IOC.

Mit einer Reihe von Top-Ereignissen hat Katar in den vergangenen Jahren seine sportpolitische Strategie untermauert. Die Handball-WM 2015, die Rad-WM 2016, die Turn-WM 2018 und die Leichtathletik-WM 2019 richtete Doha bereits aus. Die vorläufige Krönung ist das Gastspiel der Fußball-Weltelite um Lionel Messi und Cristiano Ronaldo. Auch die Formel 1 und die Profi-Tennistour machen in den nächsten Jahren regelmäßig Station in Katar. 2024 kommt dann die Schwimm-WM nach Doha.

„Wir waren ein regionales Kraftzentrum im Sport und wir werden es bleiben“, sagte Nasser al-Khater, Turnier-Geschäftsführer der Fußball-WM. Neben Image-Gewinn und Strahlkraft will sich sein Land auch auf diesem Weg einen möglichst großen Einfluss und ein möglichst großes Netzwerk in der Welt verschaffen. Für 2030 sind bereits die Asien-Spiele an Doha vergeben. Das kontinentale Mega-Event war zuletzt schon mit rund 12.000 Teilnehmern in 465 Disziplinen größer als die Olympische Spiele. 

Der dritte Anlauf auf Sommerspiele wirkt da schon fast wie eine logische Konsequenz. Mit den Bemühungen um Olympia 2016 und 2020 war Katar schon in der Vorauswahl gescheitert. Die nächsten drei Ausgaben sind bereits an Paris 2024, Los Angeles 2028 und Brisbane 2032 vergeben. 2036 könnte dann wieder Asien an der Reihe sein, so das mögliche Kalkül in Katar. Erstmals Olympia in der arabischen Welt und in einem islamischen Land, auch damit könnte das Emirat beim für solche Argumente empfänglichen IOC werben.

Doch die jüngsten Erfahrungen mit Katar könnten den bei der Gastgeber-Auswahl nicht zimperlichen IOC-Zirkel abschrecken. Bei der Leichtathletik-WM verstörten Bilder von in der Hitze kollabierten Marathon-Läufern die Sportfans, ähnlich war es davor bei der Rad-WM. Auch das Zuschauer-Interesse hielt sich in Grenzen.

Vor der Fußball-WM brüskierten die Organisatoren mit dem kurzfristigen Ausschank-Verbot für alkoholisches Bier einen der Top-Sponsoren des Weltverbands Fifa. Und nun sorgt auch noch Katars mögliche Verwicklung in einen Korruptionsskandal im EU-Parlament für negative Schlagzeilen. Im Raum steht, dass Katar dort mit Geld- und Sachgeschenken versucht haben soll, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. 

2036

rechnet sich Katar gute Chancen für die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele aus

Über allem aber steht die tosende Debatte um Menschenrechtsverstöße und den Umgang mit Gastarbeitern in Katar. Der Streit um die Zahl der gestorbenen Arbeitsmigranten und der Wirbel um das Verbot der „One Love“-Kapitänsbinde für Vielfalt und Meinungsfreiheit überschatteten die Fußball-WM. Auch weil Homosexualität in Katar verboten ist und mit bis zu sieben Jahren Gefängnis bestraft wird, steht das Emirat in der Kritik. Katar weist Vorwürfe zurück und führt weitreichende Reformen an. 

„Es gibt für die Vergabe klare Kriterien: Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte müssen in Bezug auf die Olympischen Spiele in den Bewerberländern Anwendung finden“, sagte IOC-Chef Bach im Interview von „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“.

Der neue Auswahlprozess des IOC macht das Bewerberverfahren indes eher undurchsichtiger. So mancher Beobachter verweist in diesen Tagen auch wieder darauf, dass Bach als langjähriger Chef der arabisch-deutschen Handelskammer Ghorfa gute Verbindungen in diese Weltregion pflegte. Der Jurist hatte das Amt 2013 vor dem Wechsel auf den IOC-Chefposten aufgegeben. 

Bei einer Bewerbung für 2036 könnte Katar neben Ländern wie Indien, Indonesien oder Südkorea auch auf einen deutschen Kandidaten treffen. Der Deutsche Olympische Sportbund will im nächsten Jahr mithilfe einer Stabsstelle eine Grundsatzentscheidung vorbereiten, ob und wann ein neuer Versuch gestartet wird. „Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich es begrüße, wenn Interesse in Deutschland bestehen würde“, sagte Bach in dieser Woche. In Katar dürften sie solche ermunternden Worte kaum noch benötigen. (dpa)

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