„ProSieben hat höhere journalistische Standards als die ARD“: Thilo Mischke reagiert erstmals auf Vorwürfe – und teilt aus

Der Reporter und Autor Thilo Mischke war als neuer Moderator des ARD-Kulturmagazins „ttt – titel, thesen, temperamente“ vorgesehen, doch der Rundfunksender verpflichtete ihn schließlich doch nicht. Zuvor war Mischke Sexismus und Rassismus vorgeworfen worden, wobei insbesondere sein Buch „In 80 Frauen um die Welt“ im Fokus stand. Acht Wochen nach einem offenen Brief von über 100 Kulturschaffenden hat sich der 43-Jährige erstmals öffentlich zu der Causa geäußert.
„Ich habe Zeit benötigt, um mich fundiert mit der Kritik auseinanderzusetzen. Das war im Sog der Empörung und der Vielzahl an Vorwürfen kaum möglich“, sagt Mischke in einem ausführlichen Interview mit „Der Zeit“ auf die Frage, warum er sich so lange Zeit bis zu einer Reaktion gelassen hat.
Mischke zur Debatte um sein Buch
Im umstrittenen Buch von 2010 wettet die Figur mit dem Namen „Thilo Mischke“, dass er auf einer Weltreise mit 80 Frauen schlafen wird. „Die Sexszenen sind alle erfunden“, sagt Mischke im Interview. „Ich hätte das viel früher deutlich machen müssen. Natürlich sind meine Erfahrungen mit eingeflossen, aber genauso Erfahrungen von Freunden, Filmszenen. Es ist Literatur.“
Mischke wehrt sich im Interview auch gegen den Vorwurf, sexuelle Gewalt zu verherrlichen. „Das Buch beschreibt eine Arschgeige mit einem geringen Selbstbewusstsein, die über die Abwertung von Frauen versucht, ihr Selbstbewusstsein zu steigern. Mir zeigt das heute, dass man aufpassen muss, welche Sprache man verwendet und wie man erzählt.“ Das Buch finde er „furchtbar“.
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Mischke spricht in dem Interview auch über die Trennung von Werk und Autor. „Der Protagonist und sein Gedankengut sind sexistisch und rassistisch. Der Rückschluss ist, dass ich es als Autor auch bin. Ich finde richtig, dass man das diskutiert. Die Kritik an mir wurde manchmal unsachgemäß und diffamierend geäußert, manchmal war sie auch total berechtigt.“
Gerne hätte er an der Diskussion über ihn teilgenommen, behauptet Mischke. „Diese Debatte, ob ich eine Kultursendung moderieren darf, wurde ohne mich geführt. Das hat mir die Beine weggerissen.“ Die Verantwortung dafür tragen „auch die Journalisten, die das alles verbreitet haben, ohne es infrage zu stellen.“
Mir ist in der Zeit des Shitstorms übrigens aufgefallen, dass ProSieben wesentlich höhere journalistische Standards hat als die ARD.
Thilo Mischke
Mischke zum Umgang der ARD mit ihm
Nach Mischkes Berufung als „ttt“-Moderator war auch seine generelle Eignung infrage gestellt worden, eine Kultursendung zu moderieren. Zuvor hatte er Reportagen beim Privatsender ProSieben gemacht. Mischke spricht im Interview von einer arroganten Haltung seiner Kritiker. Sie belege, „dass Kultur oft Menschen ausschließt.“
Und weiter: „Mir ist in der Zeit des Shitstorms übrigens aufgefallen, dass ProSieben wesentlich höhere journalistische Standards hat als die ARD. Die meisten Menschen, die beruflich bei ProSieben mit mir zu tun haben, haben sich deutlich mehr mit meinem Schaffen auseinandergesetzt.“
Das umstrittene Buch habe er vorher offen mit der ARD diskutiert. „Ich habe darauf hingewiesen, welche Problematik damit verbunden sein könnte. Es hat niemanden interessiert. Über „verschiedene Verantwortliche“ sagte Mischke: „Meines Wissens hat niemand von denen das Buch gelesen oder mit dem Verlag gesprochen.“ Anfangs hätten die Kulturchefs der ARD-Sender noch hinter ihm gestanden. „Es ist dann aber gekippt. Gar nicht so sehr wegen der Kommentare oder wegen des offenen Briefs, sondern wegen der Berichterstattung in Spiegel, ZEIT, Süddeutscher, Guardian.“
Noch an Weihnachten hatte die ARD Mischke öffentlich verteidigt. Bereits am 4. Januar aber trennte sich der Senderverbund mit Verweis auf die Kontroverse von dem vorgesehenen „ttt“-Moderator. Zwischenzeitlich habe der ARD-Chefredakteur Mischke gefragt, „ob da denn was rauskommen könne. Ich bin ziemlich sicher, er meinte damit, ob herauskommen könnte, dass ich jemanden vergewaltigt habe. So etwas Unprofessionelles habe ich noch nicht erlebt“, behauptet Mischke in dem „Zeit“-Interview.
Seine designierte Moderatoren-Kollegin habe zunächst gar nicht mit ihm sprechen wollen und sie habe das Buch nicht gelesen. Außerdem „war sie davon überzeugt, dass das, was in dem Shitstorm kolportiert wurde, mein Frauenbild sei.“ Eine WDR-Programmdirektorin habe ihn mit der Aussage konfrontiert, dass er „ja schon so ein Sexjournalist sei“. Die ARD dementierte gegenüber der „Zeit“ die Aussagen der Programmdirektorin, der Moderatorin und des Chefredakteurs. (TMA)