DFB-Präsident Keller bietet Rücktritt an

Die schwer angezählte DFB-Führung brauchte knapp vier Stunden, um sich zum längst Unvermeidlichen durchzuringen. Nach einer denkwürdigen Krisensitzung ließ der durch seinen Nazi-Vergleich massiv geschwächte DFB-Präsident Fritz Keller am Dienstagabend seine Bereitschaft zum Rücktritt erklären. Seine Widersacher im zerstrittenen Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes, Generalsekretär Friedrich Curtius, Vizepräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge, müssen und werden ebenfalls gehen – Curtius als Erster.

Der wankende Verband habe „Konsequenzen aus der anhaltenden Führungskrise gezogen und die Weichen für eine Neuaufstellung des DFB gestellt“, hieß es in der Mitteilung am Abend. „Präsident Fritz Keller hat aus eigener freier Entscheidung in Verantwortung des Amtes als Präsident seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, nach Abschluss der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht, am kommenden Montag, den 17. Mai 2021, sein Amt zur Verfügung zu stellen.“

Curtius werde dem erst 2019 mit viel Applaus ins Amt gewählten 64-Jährigen „nach einer Verständigung über eine Aufhebung seines Arbeitsvertrags und der Übergabe seiner Amtsgeschäfte unmittelbar folgen“, teilte der DFB mit. Koch, der sich noch am Wochenende mit einer Medienoffensive versucht hatte, ins rechte Licht zu rücken, werde wie auch Osnabrügge beim nächsten Bundestag nicht mehr zur Wiederwahl antreten. Die nächste Vollversammlung soll „voraussichtlich“ Anfang des kommenden Jahres abgehalten werden.

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Der mit Koch gleichgestellte Vizepräsident Peter Peters bleibt als Entsandter der Deutschen Fußball-Liga (DFL) im Amt. Der frühere Finanzchef des FC Schalke 04 und Koch sollen „als gleichberechtigte Interimspräsidenten den Übergang des Verbandes gestalten, um den Verband gemeinsam mit dem Präsidium schnellstmöglich in ruhige Fahrwasser zu bringen“, teilte der DFB mit. Peters sitzt im Council des Weltverbandes Fifa, Koch (noch) im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (Uefa).

Keller hatte Koch bei einer Präsidiumssitzung Ende April als „Freisler“ bezeichnet und so mit Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes im Nationalsozialismus, verglichen – in den folgenden Wochen entbrannte ein nun folgenschwerer Streit. Vor dem Sportgericht landete der Fall durch Ermittlungen der DFB-Ethikkommission. Nach „Spiegel“-Informationen hatte Curtius, dessen Aufgaben kommissarisch die stellvertretende Generalsekretärin Heike Ullrich übernehmen soll, die Verfehlung des DFB-Bosses bei dem unabhängigen Gremium angezeigt. Das hatte ins desolate Bild gepasst.

Keller hatte einen Rücktritt noch am Freitag ausgeschlossen

Seit Monaten stehen sich die Lager um Keller und Curtius nahezu unversöhnlich gegenüber. Dies führte an der Basis zu großem Unmut – Keller war zuletzt im Zuge des Nazi-Vergleichs das Vertrauen der Amateurvertreter entzogen worden. Die Länderchefs hatten am Freitag nach einer erneuten Entschuldigung Kellers, die Koch nur entgegen-, aber nicht angenommen hatte, noch einmal nachgelegt und den Verbandsvorstand zur Amtsenthebung des Präsidenten aufgefordert. Das DFB-Präsidium solle eine Sitzung des Vorstands einberufen, war mitgeteilt worden – das ist nach dem weitreichenden Schritt vom Dienstagabend nicht mehr nötig.

Nach dpa-Informationen sorgten die weitreichenden Entscheidungen bei Präsidiumsmitgliedern auch für Erleichterung. Die DFB-Krise hatte höchste politische Kreise gezogen, auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich eingeschaltet und von einem „jämmerlichen Schauspiel“ gesprochen. Die Details, wer gegen wen warum ätzt, waren derweil immer undurchsichtiger geworden. Ein an die Medien durchgesteckter Briefwechsel zwischen Koch und Christian Seifert, dem einflussreichen Macher der DFL, hatte weitere, gravierende Konfliktherde offenbart.

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Keller hatte sich zuletzt tagelang gegen einen Rücktritt als Präsident gewehrt, noch am vergangenen Freitag schien es sogar so, als wolle er durch die DFB-Instanzen um sein Amt kämpfen. „Ich stelle mich selbstverständlich dem zuständigen Sportgericht und falls nötig dem Bundesgericht, in einem laufenden Verfahren, das nach Aussage des Vorsitzenden noch im Mai abgeschlossen sein soll“, hatte er gesagt.

Als Nachfolger von Reinhard Grindel war Keller vor nicht einmal zwei Jahren als großer Erneuerer angetreten. Im März hatte er erklärt, auch für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Der frühere Präsident des Bundesligisten SC Freiburg versprach nach seinem Amtsantritt unter anderem, den immer noch nicht restlos aufgearbeitete Skandal um die Heim-Weltmeisterschaft im Jahr 2006 aufzuklären. Dazu dürfte es nicht mehr kommen. (dpa)