Festakt mit Kultursenator Chialo : Überfüllte Amerika-Gedenkbibliothek eröffnet ihren Erweiterungsbau
Wer in die Amerika-Gedenkbibliothek am Blücher-Platz kommt, wird immer wieder überwältigt von den langen Reihen der Buchregale. Die dichte Aufstellung deutet hin auf die seit Jahrzehnten beklagte große Platznot, auch in diesem Haupthaus der Berliner Zentral- und Landesbibliothek.
Doch in der westlichen Hälfte der langen Halle öffnet sich eine Art Innenplatz zwischen den Regalen, auch hier selbstverständlich viele Arbeitstische. Eine kleine Tür führt umstandslos – hoffentlich wird im Winter ein Filzvorhang nach dem Modell Berliner Eckkneipen montiert, sonst dürfte es zugig werden – nach draußen, hin zum neuen „AGB PopUp“.
Platznot in der Amerika-Gedenkbibliothek
Der schicke Name verbirgt: Wir stehen vor dem Not-Erweiterungsbau der ZLB, der dafür sorgen soll, dass die Amerika-Gedenkbibliothek ihren bis zu 5000 täglichen Nutzern und Nutzerinnen wenigstens für einige Jahre halbwegs angemessene Räume zur Verfügung stellen kann. Das Berliner Büro Kaiser Architekten hat das kaum 800 Quadratmeter Gebäude ordentlich und effizient entworfen.
Die Konstruktion ist die von Industriehallen, mit kantig abgewinkelten Holzstützen, die direkt in die Dachkonstruktion übergehen, strikt horizontal gegliederten Fenstern nach Norden, durch die die Fassade der AGB-Lesehalle immer sichtbar bleibt, matt durchscheinenden Wänden zum tobenden Verkehr auf der Blücherstraße, dem noch schimmernden Linoleumboden. Auch außen zeigt sich der Bau wie eine süddeutsche Lagerhalle jüngeren Datums, mit der dichten Taktung von Holzstäben vor den halb durchscheinenden Kunststoff-Wänden.
Wie eine schnell hochgezogene Lagerhalle
Und doch: Es bleibt eine Notarchitektur. Dass die Bibliotheksmöbel im „Saal“ aus strikt im rechten Winkel zueinander stehenden Pappstapeln (selbstverständlich feuersicher imprägniert) bestehen, verstärkt noch den Eindruck einer umgenutzten Lagerhalle, durchaus vergleichbar mit den Notunterkünften für Geflüchtete, die in den vergangenen Jahren immer wieder schnell hochgezogen werden mussten.
Das liegt nicht an den Architekten und schon gar nicht an der Zentral- und Landesbibliothek, sondern an dem auch hier wie in der katastrophalen Vernachlässigung der Schulen wieder einmal deutlich sichtbaren Geiz der Berliner Politik, sobald es sich um die Breitenbildung und Breitenkultur dreht: Selbst für diesen kaum fünf Millionen Euro billigen Bau musste die ZLB die Hilfe der Europäischen Union anrufen.
Größte öffentliche Bibliothek Europas
Immerhin, so demonstriert die ZLB eher ungewollt, wie groß die Not dieser nach Bestands- und Nutzerzahlen größten öffentlichen Bibliothek Europas inzwischen ist. Es gab ja einmal einen Veranstaltungssaal in der AGB, aber der musste schon vor Jahrzehnten für die Aufstellung von Büchern umgenutzt werden. Der Multifunktions-Saal im „PopUp“ ist da ein Not-Ersatz. So wie die wenigen, kargen Gruppenräume aus der Sicht einer neueren französischen, britischen oder skandinavischen Stadtbibliothek kaum das Minimum des gerade in Einwanderungs- und Bildungsnotstands-Zeiten Notwendigen bringen.
Gerade auch im Schrägblick, wenn dahinter der lange Riegel des AGB-Hochbaus und die tief in den Boden eingesenkte Jugend- und Kinderbibliothek sich mit dem neuen Gebäude überschneiden, wird aber auch deutlich: Hier ist jeder Quadratmeter ausgenutzt. Für die geplante Erweiterung des historisch gewordenen Bibliotheksgebäudes von 1954 in diese Richtung bedeutet das also Überbauung oder Schließung der Blücher-Straße. Die ist nach dem gescheiterten Umbau der Friedrichstraße politisch kaum noch denkbar.
Eine Überbauung wäre möglich. In Kopenhagen etwa gewinnt das von dem niederländischen Architekturbüro OMA von Rem Koolhaas entworfene Architektur- und Designzentrum seine Attraktivität auch daraus, dass eine Hauptstraße quer hindurchgeführt ist. Aber das ist eben auch sehr aufwändig und teuer.
Mit dem Vorschlag von Kultursenator Joe Chialo, die ZLB in das Kaufhaus Lafayette einziehen zu lassen, liegt allerdings nun eine maximal ökologische, platzeffiziente, schnell realisierbare und für die Bibliotheksnutzung hervorragend geeignete Alternative zum Riesenneubau am Blücher-Platz auf dem Tisch. Zudem könnte diese Lösung der Friedrichstraße endlich einen städtebaulichen Sinn geben.
Vielleicht haben wir ja Glück, ringen sich Berliner Politiker doch einmal durch, lassen ihre Eifersüchteleien und das „PopUp“ wird als Bibliotheks-Notlösung schon in einigen Jahren wirklich überflüssig.