85 Jahre Batman: Wie der Miterfinder des Dunklen Ritters um seinen Ruhm betrogen wurde
Die fiktiven Entstehungsgeschichten der Superhelden sind ein wichtiger Bestandteil ihrer Sagas. Ausgerechnet die realen Ursprünge der Ikonen provozieren dagegen seit Jahrzehnten immer wieder Ärger und Empörung.
Die Dramen um manch eine Urheberschaft überschatten die strahlenden multimedialen Erfolgsgeschichten. Zudem werden die Beiträge von einigen Zeichnenden und Schreibenden bis heute nicht ausreichend gewürdigt.
Der im vergangenen August erschienene Comic „Bill Finger – Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters“ (Carlsen, 144 S., 24 €) beleuchtet die Entstehung von Batman und die unfaire Geschichte seiner beiden Erfinder.
Er gab Batman seinen Namen
Um sie zu erzählen, tauchen Autor Julian Voloj und Zeichner Erez Zadok bis zum Anfang der amerikanischen Superhelden-Historie. 1939 debütierte Batman in der Welt der boomenden bunten Bilderheftchen: Das erste Abenteuer mit ihm als Hauptfigur erschien in Heft Nummer 27 der Reihe „Detective Comics“. Das kam am 30. März 1939 in den Handel.
Jahrzehntelang betrachtete man Künstler Bob Kane, dessen Signatur überall stand, als geistigen Vater des Mitternachtsdetektivs. Doch Kane hatte mit Bill Finger einen kreativen Partner, der viele grundlegende Elemente zum Bat-Mythos beisteuerte – die Fledermaus, Bruce Wayne und Gotham City, die Idee von Robin als jungem Gehilfen, Schurken wie Pinguin oder Two-Face.
Am Ende inszenierte Finger rund 1500 Geschichten mit dem dynamischen Duo Batman und Robin. Mehr als Kane, der früh schon Ghost-Zeichner anheuerte. Aber Kane machte auch seinen Kompagnon Finger zum Geist, indem er sich als das alleinige Genie hinter dem beliebten Helden stilisierte.
Biografie und Detektivgeschichte
„Bill Finger – Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters“ beginnt mit Fingers Enkelin Athena, die als kleines Mädchen in der Schule für die Behauptung ausgelacht wird, dass ihr Opa Batman erfunden hat. Darüber hinaus drehen sich weite Strecken des Bandes um den amerikanischen Drehbuchautor und Journalisten Marc Tyler Nobleman, der 2006 anfing, die Geschichte des posthum nur schwer greifbaren Bill Finger zu rekonstruieren.
Noblemans detektivische Recherchen, die schließlich zum Sachbuch „Bill the Boy Wonder: The Secret Co-Creator of Batman“ führten und als Doku „Batman & Bill“ verfilmt wurden, sind mehr als die Grundlage dieses Comics.
Der in Münster geborene und in New York lebende Voloj („Joe Shuster – Der Vater der Superhelden“) nutzt Noblemans ursprüngliche Jagd nach Infos, Gesprächspartnern und Fotos nämlich als zweite Handlungsebene. Geschickt blendet er beide Aspekte und Zeitebenen ineinander, sodass biografische und historische Extrapolarisationen durch rasante moderne Ermittlungsergebnisse ergänzt und verbunden werden.
Auch zeichnerisch hat diese Biografie viel Schwung: Zadoks Artwork könnte einen leichtherzigeren US-Superheldencomic kleiden. Dennoch biedert sich der israelische Künstler, Videogame-Artist und Karikaturist dem übermächtigen Subgenre nicht an. Außerdem erhält Zadok Gelegenheit, Comiclegenden und Zeitzeugen wie Carmine Infantino oder Jerry Robinson in Interviewpassagen zu porträtieren.
Späte Würdigung
Die Kunst des Superheldencomics und auch die Kunst der Selbstinszenierung haben Bob Kane beim Vermarkten „seiner“ Batman-Legende geholfen. Allerdings gab der 1998 gestorbene Amerikaner selbst einmal zu, es bereut zu haben, Finger aus dem Rampenlicht gedrängt zu haben.
Das Happy End kam für den prägenden ersten Batman-Autor viel zu spät: Er starb 1974 im Alter von 59 Jahren, sozial und finanziell ins Hintertreffen geraten. Erst seit 2015 wird Bill Finger, nicht zuletzt dank der Bemühungen von Biograf Nobleman und Erbin Athena Finger, in allen Comics als Batmans Co-Creator genannt.
Voloj und Zadok zeigen in ihrem gelungenen Gemeinschaftswerk auf unterhaltsame, fundierte Weise, wieso es so lange dauerte, bis in Batmans Welt Gerechtigkeit einzog.
Redaktioneller Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst im September 2023 im Tagesspiegel und wurde jetzt aus aktuellem Anlass leicht überarbeitet und neu publiziert. Tagesspiegel-Autor Christian Endres betreut seit mehr 15 Jahren als Redakteur die deutschsprachigen Comics mit Batman und anderen Superhelden. Zudem erscheint im Mai sein neuer Kriminalroman „Wolfszone“ bei Heyne. Darin ermittelt ein Berliner Privatdetektiv im Brandenburg der nahen Zukunft, wo sich Wölfe durch künstliche Intelligenz massiv verändert haben.