Erkenntnisreiche Arte-Dokumentation : Der Ewige Jude als Vorbild für Superman
Der französische Regisseur Pierre-Henry Salfati holt für seine Dokumentation „Der Mythos vom Ewigen Juden“, die am 14. August um 0.40 Uhr auf Arte ausgestrahlt wird und bis zum 29.8. in der Arte-Mediathek verfügbar sein wird, sehr weit aus. Die Kulturgeschichte, die Salfati als Erzähler ausbreitet, beginnt im 13. Jahrhundert und geht mit ihrem Ausblick über die Gegenwart hinaus.
„Kaum jemand kennt die Geschichte jenes Wanderers durch Zeit und Welt, der all ihre Wege durchschritten und ihre Wüsten und Weiten durchstreifte. Ich will sie Ihnen erzählen“, verspricht Salfati, dessen Bart inzwischen ebenso weiß ist wie sein lichtes Haar, und der genauso schwarz gekleidet vor dem Kamin sitzt wie im Film der über das riesige, abgeerntete Feld gehende Mann als Symbol des ewig wandernden Juden. Wie einst Moses wird er das gelobte Land dabei selbst nie erreichen.
Salfatis Kulturgeschichte vom Mythos des Ewigen Juden geht besonders stark auf französische Literatur, Musik, Film, Wissenschaft und politische Ereignisse wie die Dreyfus-Affäre ein. Sowohl im positiven Sinne eines Landes, das sich den Juden nach der Französischen Revolution wie kaum ein anderes geöffnet hat, aber ebenso im negativen Sinn einer Wissenschaft, die die Juden zu Ende des 19. Jahrhunderts als geistig und sozial kranken Vagabundierende abstempelte.
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Dennoch erlaubt die besondere Perspektive einige Überraschungen. In Deutschland verbindet sich der Begriff des ewigen Juden beinahe automatisch mit der Erinnerung an den NS-Propagandafilm „Jud Süß“ von Veit Harlan – jenem „Renommierstück des antisemitischen Kinos“, wie er in dem Arte-Film genannt wird.
Salfati erinnert hingegen mit dem französischen Blick daran, wie unterschiedlich die historische Figur des ewigen Juden über die Jahrhunderte wahrgenommen wurde. Dass er über lange Zeit als genügsamer Wanderer dargestellt wurde, der Geschenke sogleich an Ärmere weitergibt und Eigenschaften wie Wahrsagekunst, Allgegenwart und Unsterblichkeit besitzt. In den Bilderbögen von Épinal, einer frühen Form der Comics, wurde der ewige Jude sogar zu einer Art Superheld, der unverletzt mörderische Tornados, ausbrechende Vulkanen und fürchterliche Schlachten überlebt.
Ein Vorbild für Superman
Und auch daran erinnert Salfati: Als Jerry Siegel und Joe Schuster die Comic-Figur von Superman ersannen, hatten sie sich dabei von der jüdischen Legende des Golems, Nietzsches Übermenschen und dem ewigen Juden inspirieren lassen.
Dennoch war das Bild vom ewigen Juden von Beginn an häufig negativ konnotiert. Geht es doch auf Jesus Leidensweg durch die Via Dolorosa zurück, als ihm ein jüdischer Schuhmacher eine kurze Rast vor seinem Laden verweigert und ihn auffordert, dem selbst gewählten Schicksal zu folgen. „Gewiss gehe ich meinem unglücklichen Schicksal entgegen. Doch du wirst auf Erden wandern, bis ich zum jüngsten Gericht zurückkehre. Das soll dein Schicksal sein“, soll Jesus gesagt haben.
Für Pierre-Henry Salfati ist dies jedoch nur der Ausgangspunkt seiner Erzählung, er geht in seinem Film weit darüber hinaus. Cervantes „Don Quichotte“ wird bei ihm zum ersten ewig wandernden Juden der Literatur, der sich im Krieg gegen Absurdistan befindet. Und vom jüdischen Purim-Fest mit König Ahasveros und seiner Frau Esther zieht Salfati eine direkte Linie zum Venezianischen Maskenkarneval. Genügend Gründe also, den Film vielleicht nicht zu nachtschlafender Zeit im linearen Programm, aber dafür in der Arte-Mediathek anzuschauen.