Djibril M’Bengue und sein Umweg ins Glück

Auf einmal ging alles ganz schnell für Djibril M’Bengue. Anstatt einer freien Woche hieß es Sachen packen, das sonnige Klima an der portugiesischen Küste wurde durch den regnerischen deutschen Herbst ersetzt, die Zeit mit der Freundin gegen sechs Tage mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft eingetauscht.

„Für so eine einmalige Chance lässt man alles stehen“, sagt M’Bengue, der beim FC Porto spielt und von Bundestrainer Alfred Gislason nach dem kurzfristigen Ausfall von Füchse-Spieler Fabian Wiede für die Länderspiele gegen – ausgerechnet – Portugal nachnominiert worden war. Spontan machte sich der 29-Jährige am Dienstagmorgen auf den Weg nach Deutschland, wo sich tags zuvor schon die DHB-Auswahl in Düsseldorf zum Lehrgang zusammengefunden hatte.

„Die Mannschaft macht es einem einfach, sich einzufinden. Ich bin von der ersten Minute an super aufgenommen wurden“, sagt der Debütant, dessen Ruf in die Nationalmannschaft für einige Experten längst überfällig war. Schließlich kann der 1,95 Meter große Handballer mit seiner ausgeprägten Körperlichkeit der Defensive nicht nur zu mehr Robustheit verhelfen, sondern über seine Athletik und ein gutes Entscheidungsverhalten auch dem Angriff neue Impulse geben.

Insofern entspricht Djibril M’Bengue grundsätzlich dem, wonach Alfred Gislason momentan sucht: einem kompletten Spieler, der der Mannschaft insgesamt helfen kann. Nach dem Umbruch in der DHB-Auswahl durch die Rücktritte von Uwe Gensheimer, Johannes Bitter und Steffen Weinhold sowie der Pause von Hendrik Pekeler und verletzungsbedingten Absagen anderer Spieler könnte sich M’Bengue also als eines der neuen Gesichter im deutschen Handball in dem perspektivisch angelegten Team etablieren.

Djibril M’Bengue hat senegalesische Wurzeln

Das wäre nicht nur sportlich ein Erfolg, sondern genauso gesellschaftlich. Denn der Schwabe mit senegalesischen Wurzeln widerspricht dem oft kritisierten Image, wonach der deutsche Handball hauptsächlich Weißen vorbehalten sei.

„Natürlich ist meine Hautfarbe immer wieder ein Thema“, sagt M’Bengue, „aber ich finde, das ist auch das Schöne bei uns im Sport. Es zählt nicht, wer wie aussieht und woher jemand kommt. Es hört sich vielleicht an, wie ein blöder Spruch, aber Sport verbindet eben.“

Dass Handball – gerade für Kinder mit Migrationshintergrund – oft nicht die erste Anlaufstation im Sport ist, weiß M’Bengue aber ebenfalls. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. „Da nimmt der Fußball erst einmal vieles weg“, sagt er und verweist nicht nur auf die ausbaufähige Popularität des Handballs in vielen Teilen der Welt, sondern gleichermaßen auf die nicht immer ganz einfach Umsetzung in der Kleingruppe. Für zahlreiche Kids ist es schlichtweg einfacher, mit dem Ball draußen kicken zu gehen und auf dem Bolzplatz aufs Tor zu schießen.

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Beim Handball gestaltet sich das schon etwas schwieriger. Man braucht eine Halle, genügend Spieler und das entsprechende Equipment. „Allein die Hallenschuhe sind Kosten, die sich vielleicht nicht jede Familie leisten kann“, merkt M’Bengue an. „Von daher ist es keine einfache Aufgabe, den Sport für junge Menschen attraktiver zu machen. Es ist schwierig, die richtige Schraube zu finden, an der man drehen muss.“

Der deutsche Handballbund hat mit der Initiative „HandbALL TOGETHER“ im Sommer vergangenen Jahres zumindest einen weiteren Schritt auf diesem Weg gemacht und setzt sich für mehr Integration ein. Natürlich ist die Kritik angebracht, dass diese Reaktion auf die sich wandelnde Bevölkerungsstruktur etwas spät kommt und wahrscheinlich noch zusätzliche Aufmerksamkeit benötigen wird, aber es bleibt ein Schritt in die richtige Richtung.

Schließlich können gerade im Sport Vorurteile abgebaut werden, spielen hier alle Menschen egal welcher Herkunft, Konfession oder sexuellen Orientierung zusammen nach den gleichen Regeln. Zudem wird durch Fairplay ein respektvoller Umgang miteinander vermittelt – und das in einem unterhaltsamen Rahmen.

Mit dem FC Porto spielt er in der Champions League

Diese Eigenschaften sind es auch, die Djibril M’Bengue am Sport begeistern. Er, der wie viele andere zunächst mit dem Fußballspielen begonnen hatte, kam erst als Jugendlicher durch einen Klassenkameraden zum Handball und war seitdem gefesselt. Ausgestattet mit dem nötigen Talent spielte sich der gebürtige Schorndorfer über Schwäbisch Gmünd und Bittenfeld zum TVB Stuttgart und schaffte mit 21 Jahren den Sprung in die erste Liga. Etliche Verletzungen zwangen ihn allerdings in seinen fünf Jahren beim TVB viel häufiger zum Zuschauen, als ihm lieb gewesen wäre, sodass der Vertrag des Linkshänders letztlich nicht verlängert wurde.

Daraufhin wagte M’Bengue den Schritt ins Ausland und heuerte beim FC Porto an. Dort gewann er bereits in seinem ersten Jahr die Meisterschaft und den Pokal und spielt mit dem portugiesischen Erstligisten mittlerweile in der Champions League gegen die größten Klubs der Handballwelt. „Das war sportlich gesehen, das Beste, was mir passieren konnte. Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht nicht so, aber irgendwie hatte alles – auch die Verletzungen – seinen Sinn“, sagt M’Bengue.

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Sein Weg war nie ein geradliniger. Er hat nie in einer Landesauswahl gespielt oder mit den Junioren bei internationalen Turnieren – und doch spielt er nun im Trikot der Nationalmannschaft. Bei seinem Debüt am Freitag in Luxemburg, das die DHB-Auswahl mit 30:28 gegen die Portugiesen gewann, steuerte der Halbrechte drei Tore bei und bot über 30 Minuten eine überzeugende Vorstellung. Darauf können M’Bengue und der Rest der Mannschaft bei der zweiten Begegnung anlässlich des Tags des Handballs am Sonntag (15 Uhr/ ZDF) aufbauen.

Für M’Bengue schließt sich in jedem Falle ein Kreis, wie er findet: „Ich musste nach Portugal ziehen, um gegen die großen deutschen Mannschaften gewinnen zu können. Und jetzt, wo ich in Portugal wohne, spiele ich für die deutsche Nationalmannschaft gegen meine portugiesischen Mannschaftskollegen. Das ist schon fast surreal und gleichzeitig ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist.“

Und diesen Traum möchte Djibril M’Bengue auch in Zukunft weiter leben.