Das sind die Essays des Jahres 2021

Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter.

Ein guter Text erzählt und erklärt Neues, labert nicht, hat Rhythmus und Sound – so gut, dass Leserinnen und Leser beglückt einsteigen müssen und bis zum letzten Punkt nicht aussteigen können.

Auf die Frage nach den besten Essays 2021 sagt Andreas Cichowicz, Chefredakteur des NDR: „Carolin Emcke, wie schon 2020, diesmal mit ihren Kolumnen in der ‚SZ’, zum Beispiel vom 20.11. über Populisten. Sie ist sprachlich präzise, seziert unsere Welt und gibt den Dingen einen moralisch-philosophischen Überbau.“

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Sarah Frühauf nennt das Buch „Mission Economy“ von Mariana Mazzucato: „Ihre Ideen dienen Robert Habeck als Denkschule. Ein starker Staat, um Herausforderungen wie den Klimawandel zu bewältigen? Man darf gespannt sein.“

Hidden Champions 2021

Micky Beisenherz wiederum schreibt: „Bester Essay… Puh, da würde ich die ganze Recherche der Ippen-Redaktion nehmen. Das ist ja inklusive der Verhinderung und der jetzt schon legendären Döpfner-SMS ein einziges Fegefeuer der Eitelkeiten. Inklusive Epilog von Julian Reichelt in der ,Zeit’. Das ist ganz große Kunst und ganz nebenbei ein Beleg für die These: Viel schwerer als der Fehler wiegt die Kommunikation ebendessen. Hidden Champions 2021: Twitter. Erst verhindern die sozialen Netzwerke durch das Superspreading von Laschets Lachen in der Flut einen CDU-Kanzler und dann drückt das Plebiszit Karl Lauterbach als Gesundheitsminister durch.“

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.Foto: Tobias Everke

Heinrich Wefing feiert Robert Kagans Gastbeitrag „Our Constitutional Crisis is Already Here“ in der „Washington Post“, dieser sei die „beste und umfassendste Darstellung, wie Trump und die Republikaner systematisch und ziemlich offen die Checks and Balances der US-amerikanischen Demokratie demontieren“.

Stephan Lamby nennt Bettina Gaus’ Text über „Bild“, Reichelt und Döpfner im „Spiegel“ „mutig und treffsicher“: „Nicht dass es der letzte Text von Bettina Gaus (veröffentlicht sechs Tage vor ihrem Tod) war, zeichnet ihn aus. Sondern dass Bettina Gaus in vielen Kommentaren zur Entlassung von Reichelt einen ‚prüden Ton’ und gegenüber Frauen eine ‚perfide Art der Diskriminierung, weil sie sich als Fürsorge tarnt’, erkannte.”

Kati Krause schrieb den meistgenannten, meistgelobten Text

Robin Alexander preist zwei Texte zu zwei gewaltigen Themen der Gegenwart: „1. Armin Nassehi: ‚Unbehagen. Theorie der überforderten Gesellschaft’ – aus systemtheoretischer Perspektive wird beschrieben, warum demokratische Politik an Corona scheitert und an der Klimakrise zu scheitern droht. 2. Jürgen Habermas: ‚Corona und der Schutz des Lebens. Zur Grundrechtsdebatte in der pandemischen Ausnahmesituation’ aus den ‚Blättern’ 09/21. Deutschlands Staatsphilosoph liefert die philosophische Begründung von Angela Merkels Coronapolitik nach. Gemeinsam mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Klimapolitik ist dies der entscheidende Text für die Neuvermessung unseres Freiheitsbegriffs.”

Und Nicole Diekmann prämiert Shoshana Zuboffs „Überwachungskapitalismus ist die Mutter aller Krisen“ aus der „Welt“, über den Einfluss von Facebook und Co.; sowie Hilmar Klutes „Wer hier wohnt, hat verloren“ (aus der „SZ“), eine „wütende Liebeserklärung“ an Berlin. Und dann kommt auch Nicole Diekmann, wie so viele in der Jury, zu Kati Krauses „Ich liebe meine Mutter, aber ich verstehe sie nicht“, erschienen im „Zeit Magazin“.

Unter all den siegenden Texten des Jahres ist dieser von Kati Krause der meistgenannte, meistgelobte. Ileana Grabitz sagt: „Die Reflexion über den Wandel ihrer Mutter zur Querdenkerin – ein so treffendes wie erschütterndes Zeugnis dafür, wie die Pandemie nach bald zwei Jahren die Gesellschaft zersetzt.“