Das Berliner Pokalfinale findet unter besonderen Vorzeichen statt

Der Weg zum Titel im Berliner Landespokal ist diesmal ein ungewöhnlicher. Nur die fünf Regionalligisten unter den 32 Teams erhielten vom Senat in der Coronakrise die Spielerlaubnis. Der Einspruch von Oberligist Blau-Weiß 90 wurde abgelehnt. An diesem Samstag bestreiten nun der BFC Dynamo und der Berliner AK im Mommsenstadion ohne Zuschauer das Finale (13 Uhr, live im RBB). Nicht die erste kuriose Geschichte. Ein Rückblick auf zehn besondere Endspiele.

1. Dramatische Steigerung

SG Wilmersdorf – SG Tempelhof
Schon wenige Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnen wieder Ligaspiele und der Pokalwettbewerb. Vereine sind von den Alliierten verboten worden, im Finale stehen sich im März 1946 Spielgemeinschaften aus Wilmersdorf (mit vielen Spielern vom BSV 92) und Tempelhof (vorwiegend Akteure von Viktoria 89) gegenüber.

Fast 20.000 Zuschauer kommen in die Werner-Seelenbinder-Kampfbahn. Laut Tagesspiegel ist es „ein anregendes Spiel, das sich in der entscheidenden Schlussphase dramatisch steigerte“. Wilmersdorf geht in Führung, aber Tempelhof gleicht aus. In der Verlängerung bringt Stürmer Hermann „Männe“ Paul der SG Wilmersdorf mit seinem zweiten Tor den Sieg.

2. 350 Minuten

Spandauer SV – Tasmania 1900
1957 geht das Finale über drei Spiele. Die Zuschauerzahl steigt jedes Mal: von 5000 auf 6000 auf über 10.000. Das erste Spiel endet 1:1 nach Verlängerung. Die Neuansetzung findet ihr vorzeitiges Ende in der 110. Minute wegen Dunkelheit (2:2). Dazu der Tagesspiegel: „Es bestand die Gefahr, dass ein Zufallstor im Scheine der schmalen Mondsichel entscheiden könnte.“

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Die nächste Neuansetzung geht nach 120 Minuten wieder mit 1:1 zu Ende. Das Los muss auf dem Hertha-Platz am Gesundbrunnen, kurz Plumpe, entscheiden. Spandaus Kapitän Helmut Pohl hat dabei Glück und der SSV ist zum dritten Mal in Folge Pokalsieger. Wegen der unglücklichen Begleitumstände für Tasmania handelt der Verband schnell und stiftet den unbesiegten Verlierern ebenfalls einen Pokal.

3. Viele Tore, wenig Licht

Hertha BSC – Tennis Borussia
Beide Klubs treffen sich 1966 erstmals im Finale. Austragungsort ist zum bislang einzigen Mal das Olympiastadion. Knapp 15. 000 Zuschauer sehen neun Treffer – mehr fallen bis heute nicht. Hertha gewinnt 6:3 nach Verlängerung. Illuminiert wird alles von der neuen Flutlichtanlage – die jedoch in dem Moment fast komplett runtergefahren wird, als Herthas Spieler die Ehrenrunde antreten wollen.

Fast alle der 5500 Zuschauer im Katzbachstadion waren 1988 für Türkiyemspor.Foto: imago images

4. Kein Sieger

Tennis Borussia – Hertha Zehlendorf
Am ersten Weihnachtsfeiertag 1969 endet das Finale im Poststadion 1:1. Ein Aufreger ist der Platzverweis von Peter Schulz, der Zehlendorfs Wolfgang „Sprotte“ Sühnholz am Ohr zieht. Der Zeitpunkt für das Wiederholungsspiel bleibt offen, weil die Mannschaft von Hertha 03 am nächsten Tag zu einer Weltreise aufbricht und unter anderem auf die thailändische Nationalmannschaft sowie eine Auswahl von Westaustralien trifft.

Daher ist schon vor dem Endspiel klar gewesen, dass TeBe auf jeden Fall im DFB-Pokal spielen wird. Ein neuer Termin für das Berliner Endspiel wird übrigens nicht gefunden, in den Statistiken steht: kein Sieger.

5. Trauriges Ambiente

Rapide Wedding – Hertha Zehlendorf
Der 31. Juli 1974 ist der größte Tag in der Vereinsgeschichte von Rapide Wedding. Die Mannschaft von Trainer Gerhard Nitsch gewinnt überraschend 5:3. Die Rahmenbedingungen sind eher trist: Nur 518 Besucher entrichten Eintritt, es ist bis heute die magerste Kulisse beim Berliner Finale seit dem Zweiten Weltkrieg und die Plumpe befindet sich wenige Monate vor dem Abriss in einem traurigen Zustand.

6. Party im Katzbachstadion

Türkiyemspor – BFC Preussen
Auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) gratuliert dem Pokalsieger 1988 in einem Telegramm: „Ich freue mich mit allen Kreuzbergern über diesen Fußball-Feiertag“, schreibt Diepgen nach dem 2:1-Sieg (n.V.) von Türkiyemspor. Fast alle der 5500 Zuschauer im Katzbachstadion sind für Türkiyemspor.

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Sie feiern den ersten von insgesamt drei Pokalsiegen des Klubs. Der Tagesspiegel berichtet von einem Volksfest. „Mit diesem Sieg haben wir bewiesen, dass unsere bisherigen Erfolge keine Zufallsprodukte waren“, sagt Trainer Bülent Gündogdu. Damit ist der Verein der erste mit türkischen Wurzeln, der in den DFB-Pokal einzieht. Türkiyemspor war 1983 in den Spieltrieb des BFV ein- und danach bis in die Oberliga aufgestiegen.

7. Beim SV Konsum fängt alles an

Hertha Am. – Reinickendorfer Füchse
Ab der Saison 1991/92 treten die Vereine aus West- und Ost-Berlin in einem Wettbewerb an. Eine von 88 Partien der ersten Runde: 7. August 1991, Sportanlage Grabensprung, SV Konsum – Hertha BSC Amateure, 1:3. Im Mai 1992 gewinnt Hertha im Finale 1:0 gegen die Reinickendorfer Füchse.

Im Juni 1993 steht der Drittligist im Endspiel des DFB-Pokals, verliert im ausverkauften Olympiastadion 0:1 gegen Bayer Leverkusen.

Am Abend des 4. Mai 2005 wird Timo Hampf zum Matchwinner für Favorit Tennis Borussia.Foto: imago images

8. Live für alle

SV Yesilyurt – Türkiyemspor
Im Jahnsportpark wird um den Berliner Pokal gespielt – und die ganze Welt schaut zu. Also zumindest theoretisch. Das Endspiel 2001 wird vom türkischen Sender TRT-INT über Satellit live übertragen. Sechs Kameras fangen den 2:1-Sieg von Yesilyurt ein. Die Zuschauerzahl im Stadion: 1926.

9. Getroffen, gehalten, gefeiert

TeBe – BFC Alemannia 90-Wacker
In den vergangenen 30 Jahren gingen nur drei Spiele in die Verlängerung und nur eins endete nach Elfmeterschießen. Am Abend des 4. Mai 2005 wird Timo Hampf zum Matchwinner für Favorit Tennis Borussia gegen den Verbandsligisten BFC Alemannia 90-Wacker.

Der Torwart verwandelt einen Elfmeter selbst und hält danach den letzten. Es ist der 14. von inzwischen 16 Pokalsiegen für den Rekordgewinner.

10. Den Überblick verloren

Lichtenberg 47 – BFC Preussen
Sechstligist gegen Fünftligist – so viel Überraschung wie 2016 steckt selten im Endspiel. Passend dazu gewinnt der Außenseiter BFC Preussen durch ein Tor von René Robben 1:0. Der Stürmer rennt zum Jubeln zur Haupttribüne. „Ich dachte, meine Familie ist in dem Block, aber die saßen ganz woanders“, erinnerte er sich kürzlich in der „Fußball-Woche“.