Ein Festival für Emilie Mayer im Boulez Saal: Sie war die größte Komponistin des 19. Jahrhunderts
Sie war eine faszinierende Persönlichkeit mit bewegter Biografie: Emilie Mayer, 1812 im mecklenburgischen Friedland geboren, verlor ihre Mutter bereits im Alter von zwei Jahren, der Vater nahm sich am 20. Todestag der Mutter das Leben. Doch statt sich in eine bürgerliche Ehe zu flüchten, wählte Emilie den schweren Weg, also die individuelle Eigenständigkeit.
Sie studierte bei Carl Loewe in Stettin und wechselte 1847 nach Berlin, wo Adolf Bernhard Marx sie förderte, damals einer der Hauptakteure der Musikszene in der preußischen Hauptstadt. Und tatsächlich vermochte sie sich hier gegen den exklusiven Männerclub der Komponisten durchzusetzen, wurde vom Publikum geschätzt und von ihren Kollegen geachtet.
Erster Zyklus in der Hauptstadt
Bereits vor 20 Jahren ist Uwe Scheider, der Manager der Akademie für Alte Musik Berlin, auf Emilie Mayer gestoßen. Bei einem Konzert im sächsischen Freiberg hörte er eine ihrer Sinfonien – und war begeistert. Seitdem ventiliert er die Idee, ein Festival mit all ihren überlieferten Partituren zu veranstalten.
Finanziert von der Lotto-Stiftung, wird der Plan nun endlich Wirklichkeit, am 24. und 28. Oktober sowie am 1. November im Pierre Boulez Saal. Durch Zuschüsse der Funk-Stiftung und von Deutschlandradio können die drei Konzerte zudem aufgezeichnet und dann beim Label Harmonia Mundi veröffentlicht werden.
Wiener Klassik als Vorbild
Die Wiederentdeckung Emilie Mayers ist – wie bei vielen anderen komponierenden Frauen auch – der feministischen Musikwissenschaft zu verdanken. Immer mal wieder tauchte ihr Name in den vergangenen Jahren in Berliner Programmen auf, vor allem bei studentischen Ensembles, aber auch beim Deutschen Symphonie-Orchester sowie den Berliner Symphonikern.
Nun aber realisiert ausgerechnet die „Akademie für Alte Musik“ den ersten Mayer-Zyklus in Berlin. Obwohl sich das freie Ensemble im Gegensatz zu den dauerhaft subventionierten Institutionen so ein Projekt eigentlich gar nicht leisten kann. Bis zu 48 Musikerinnen und Musiker sind nötig, damit sich der Klang von Mayers Werken auch voll entfalten kann. Der orientiert sich sowohl an der Wiener Klassik wie auch an den Zeitgenossen Mendelssohn, Rossini oder dem damals sehr populären Louis Spohr.

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Die „Akademie für Alte Musik“ gehört zweifellos zur Top-Liga der Ensembles, die sich der historischen Aufführungspraxis widmen. Regelmäßige Einladungen in die exquisitesten Konzertsäle Europas zeugen davon. Dort werden die Musikerinnen und Musiker stets als Botschafter der Musikmetropole Berlin wahrgenommen – zuhause ist das dem Senat allerdings nur eine jährliche Förderung von 400.000 Euro wert. Ein Bruchteil dessen, was die Staatsorchester an Zuschuss erhalten.
Die Akademie für Alte Musik hat keine festangestellten Musiker, alle Mitwirkenden arbeiten stets auf Projektbasis – und werden auch so honoriert. Dabei bedient das Ensemble ein Repertoire, das die großen sinfonischen Institutionen komplett ausgelagert haben: nämlich Barock und Frühklassik.