Kinder- und Jugendtheater-Festival Augenblick Mal!: Kummer, Plüsch und Bambi

Manchmal müssen Profis ran. Wie die Blaumannbrigade – ausgewiesen als „Straßenunterhaltungsdienst“ –, die mit Laubbläser, Müllgreifer und Desinfektionsgerät gegen den Müll auf der Wiese im Innenhof des Berliner Podewil vorgeht. Nicht nur versehen diese Greenkeeper des öffentlichen Raums ihren Dienst mit choreografischer Eleganz und werfen sich die plattgetretenen Kaffeebecher zu wie Frisbees.

Sie harmonieren obendrein noch als Freizeit-Musikkapelle, die gerade einen beschwingten „Endlich Pause“-Song anstimmt, als ein verdächtiges Objekt Alarm auslöst: ein zurückgelassener Schulranzen. Der sich bewegt!

Hier schlägt die Freiluft-Performance „Master of Desaster“ des Bonner Theaters Marabu für Menschen ab sechs Jahren um in ein herrlich überdrehtes Katastrophenfilmszenario. Die Truppe riegelt den Schauplatz mit Pylonen und Absperrband ab, bewaffnet sich mit allerlei futuristischem Aufspürgerät (das auch osteuropäisches Radio empfängt) und fährt schließlich den „Hochfrequenz-Quinten-Transmitter“ auf – ein Supergerät, zu dem allerdings die Bedienungsanleitung auf Deutsch fehlt.

Gut, dass der Ranzen nichts Explosives, sondern nur bunte Zettel in die Luft fliegen lässt. Auf denen sind alle möglichen Sorgen und Ängste notiert, die Kinder umtreiben. Ein Fall für Kummer-Profis.

Viren sind kein Wunder

„Master of Desaster“ war am Eröffnungswochenende von Augenblick Mal! zu sehen, diesem alle zwei Jahre in Berlin stattfindenden, bundesweiten Festival des Theaters für junges Publikum. Ängste, Zukunftsnöte, auch Weltuntergangssorgen – das waren bestimmende Themen zum Auftakt. Längst nicht durchweg so lustig verhandelt wie vom Theater Marabu.

Der Piccolo Theater Jugendklub aus Cottbus zum Beispiel blickt in „Die Verdunkelung II – Coronaleuchten“ auf eine Pandemiezeit zurück, die nichts Gutes für die kommenden Jahre erwarten lässt. In „Die Verdunkelung I“ haben die jungen Spieler*innen sich mit der Klimakrise auseinandergesetzt. Im Zuge ihrer Corona-Betrachtung ist ihnen aufgegangen, wie verschränkt diese Themen sind. Die Katastrophe ist der Mensch mit seinen Umweltverheerungen. Kein Wunder, wenn da Viren überspringen.

„Die Verdunkelung II“ ist die erste Arbeit von Jugendlichen für Jugendliche, die zum Festival Augenblick Mal! eingeladen wurde. Für Jugendclub-Produktionen ist eigentlich das Theatertreffen der Jugend zuständig, das momentan im Haus der Berliner Festspiele läuft (kein glückliches Timing, diese Überschneidung). Dort sind die Piccolos ebenfalls zu Gast, mit der Produktion „Stolpern“.

Es ergibt aber durchaus Sinn, das „Coronaleuchten“ unter die zehn Inszenierungen des Augenblick Mal!-Programms zu wählen (fünf für Kinder, fünf für Jugendliche). Hier haben die Jugendlichen die Stimme, die ihnen während der Pandemie allzu oft verwehrt geblieben ist. Und lassen ihre ganze Wut raus. Auf Lockdowns, ignorante Erwachsene, Querdenker*innen und Videokacheln.

Ja, die Welt ist ein seltsamer Ort. Davon erzählt auch „Bambi und die Themen“ des Dramatikers und Regisseurs Bonn Park, produziert vom Jungen Schauspiel Düsseldorf. In einer Miniaturwelt aus Hochhäusern, Straßen und Hügeln, die wie ein Filmset für ein Godzilla-B-Movie wirkt, lässt Park die Disney-Protagonisten Bambi (Reh), Klopfer (Hase) und Blume (Stinktier) auftreten, performt von Schauspieler*innen in Plüschkostümen, die ihre Figuren zugleich noch als Marionetten doppeln.

In einem hochgepitchten Niedlichkeitston werden stauneäugig höchst bedenkenswerte Fragen gestellt. Zum Beispiel will Bambi wissen: „Wieso brennt mein Wald ab und es ist für alle okay?“. Die noch grundsätzlichere lautet: Wie lässt es sich leben in einer Welt, die so in Schieflage geraten ist? Ein starker Festivalauftakt.