Jan Delay macht wieder Ska-Reggae-Riddim-Pop
Immerhin kann er das mit der Selbstkritik: „Fresher than ever / endlich wieder meinen Job machen / nach der Rock-Platte / auf die keiner Bock hatte“. Mit diesen Zeilen eröffnet Jan Delay aka Eizi Eiz aka Jan Philipp Eißfeldt sein neues Album „Earth, Wind & Feiern“, erschienen bei Vertigo Berlin.
Sein erstes Studioalbum nach „Hammer & Michel“ aus 2014, der erwähnten „Rockplatte“, das zwar wochenlang den Platz 1 der Albencharts besetzte, aber für das trotzdem wirklich so gut wie niemand Liebe übrig hatte.
Ein basslastiger Sound
Und anscheinend auch der gute Jan Delay selbst nicht, denn er kehrt nun zurück zum Reggae-und Ska-inspirierten, basslastigen Sound, für den der Hamburger seit seinem Solodebüt „Searching for the Jan Soul Rebels“ von 2001 steht.
Und schon wie damals vor zwanzig Jahren kämpft Delay mit jedem einzelnen nasal vorgetragenen Reim für die gute Sache und die bessere Welt: „Es sind finstere Zeiten, aber das muss gar nicht sein / lass uns die Wolken vertreiben, ich hab die Sonne dabei”, verspricht er im Intro.
Trotzdem finden sich auf dem Album auch kritische Songs über die Abhängigkeit von Amazon („Alexa“), gegen Rassist*innen und enge Köpfe („Spass“ mit Beginner-Kollege Denyo), Materialismus („Laecheln“ und Ska-Hippie-Eltern-Hymne „Saxophon“) oder die schmutzigen Deals von Nestlé („Wassermann“).
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Okay, das Diskursniveau ist manchmal etwas fragwürdig: „Sie hatten alle noch nie Spaß / und deswegen sind sie voller Hass“ als Statement greift vielleicht etwas zu kurz und bleibt auf so einer Art Neunziger-Jahre-Antifaschismus zurück.
Im rassistischen Meme-Krieg des neuen Social-Media-Zeitalters soll Menschenverachtung ja eben durch Humor normalisiert werden, und dass das NSU-Trio einfach nur nicht genug von seiner Familie geliebt wurde, ist nun auch nicht gerade eine wirklich gangbare These – da verhandeln andere wie zum Beispiel Danger Dan mittlerweile durchaus progressivere Positionen im Mainstream.
Aber immerhin versucht’s Delay, auch wenn er mit den besten Absichten solch verkürzte Positionen weiterverbreitet. Das Problem dabei nur: die musikalische Untermalung dazu ist wirklich ernsthaft schlecht.
Ganz so lieblos wie bei „Hammer & Michel“ ist das neue Album nicht geworden, denn Delays Leidenschaft für karibische Sounds ist wenigstens glaubwürdig und das Team baut neben dem Delay-typischen Ska-Reggae-Riddim-Pop auch gegenwärtige Einflüsse aus Afrobeats wie von Burna Boy und Trap ein. Aber es ist wie auch in der echten Welt: Liebe allein reicht einfach nicht.
Keine Platte für Dancefloor-Exzesse
Trotz hübsch minimalistischer Momente wie bei dem schon erwähnten „Spass“ und Gäst*innen, die auch die Kids von heute kennen (Summer Cem, Lary und Marteria) ist „Earth, Wind & Feiern“ entgegen den Versprechungen im Pressetext und Ankündigung definitiv keine Platte für Exzess auf dem Dancefloor um sechs Uhr morgens.
Vielleicht eher für Nachmittage in der Kinderdisko, wozu auch das Muppet-eske Musikvideo für die Disco-inspirierte Vorab-Single „Eule“ mit Marteria und einer tänzelnden Nile-Rodgers-Gitarre gut passt.
Die Kritik hört er nicht zum ersten Mal
Und es ist auch völlig okay, dass der mittelalte Delay mit Zeilen wie „Alexa, bitte mach meine Steuer / ich rauche Kräuter und höre Jazz“ die Lebensrealität von ihm und anderen mittelalten Daddys abbildet, aber Songs für die Ewigkeit wie das bis heute legendäre „Füchse“, sein Nena-Cover „Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann“, oder auch Dauer-Ohrwurm „Oh Jonny“ kommen dabei nicht heraus.
Diese Kritik hört Delay wohl nicht zum ersten Mal. Auf „Gestern“ antizipiert er das „Mach mal wie früher, das war so krass“ der in Oldschool-Nostalgie verharrenden Hörerschaft schon und hat direkt seine Antwort bereit: „Kein Problem, Digger, ich schick’ ein Fax. Tut mir leid, liebe Brüder und Schwestern, nichts ist so kalt wie der heiße Scheiß von Gestern“ – ertappt.
Man kann dem armen Jan Delay nun wirklich nicht viel übelnehmen, er hat als korrekter Typ sein Herz am rechten Fleck. Nur das mit der Musik, das wird so nichts mehr.