Die Ausstellung „Invisible City“ in Köln: Kolonialismus als touristische Attraktion
Die Verwirrung könnte nicht größer sein. Langsam fährt die Kamera über die Giebeldächer von Häusern im wilhelminischen Stil. Erst nach und nach erweist sich, dass hier eine Art Miniatur-Disneyland gefilmt wird. Die Größenverhältnisse klären sich langsam auf.
An den Rändern der Villen, Verwaltungsgebäude und Kirche wachsen keine riesigen Büsche empor, sondern nur die Halme einer Wiese; da tauchen zwischen den Gräsern auch schon Schildchen mit Erläuterungen auf, allerdings in chinesischer Schrift.
Pittoreske Locations, schicke Fotomotive
Erst vor wenigen Jahren wurde in der Millionenstadt Qingdao an der Nordostküste Chinas der kleine Ausflugspark mit den Häuschen deutscher Bauart eröffnet: als weitere touristische Attraktion auf den Spuren der kolonialen Vergangenheit. Besuchern aus Deutschland mag dieser Umgang irritierend vorkommen, denn von Kritik an den damaligen politischen Umständen, einer Aufarbeitung der Besetzung durch die kaiserlichen Truppen zwischen 1898 und 1914 fehlt jede Spur.

© Jimmi Wing Ka Ho 0x600
Die Häuschen bleiben ein unkommentiertes Kuriosum, ebenso wie die Originale im Zentrum der Stadt. Dort wurden die St. Michaelskirche, das Postamt, der ehemalige Sitz des Gouverneurs liebevoll restauriert und anhand historischer Aufnahmen aufgearbeitet. Sie dienen heute als pittoreske Locations und Fotomotive, besonders beliebt als Hintergrund für Hochzeitsaufnahmen.
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Auch der aus Hongkong stammende Fotograf Jimmi Wing Ka Ho hat den eigenartigen Modellpark besucht: mit einem Reisestipendium des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums und dem Auftrag im Gepäck, sich der sichtbaren wie unsichtbaren Geschichte Qingdaos künstlerisch anzunähern.
Das ethnologische Museum sucht nach einem Umgang mit seiner vornehmlich aus der Kolonialzeit stammenden Sammlung, insbesondere den 100.000 historischen Fotografien. Gelegenheit dazu gab das zum vierten Mal aufgelegte Programm „Artist meets Archive“ des Festivals Internationale Photoszene Köln, mit dem die Stadt neue Perspektiven auf ihre diversen Archive gewinnen will, ebenso in der Dombauhütte wie dem Museum Ludwig.
Bei ihrer öffentlichen Führung durch das Archiv des Rautenstrauch-Joest-Museums zeigt Fotokuratorin Lucia Halder nur die Rückseiten der Aufnahmen, um den kolonialen Blick nicht zu perpetuieren – was so manchen Besucher irritiert. „Wie sollen wir schauen, was dürfen wir zeigen?“, stellen sich ethnologische Museen mit kontaminiertem Erbe heute als Frage.
Im Bildarchiv des Rautenstrauch-Joest-Museums lagern allein 200 Fotografien der deutschen Musterstadt Tsingtau, wie Qingdao einst hieß, die für die damalige Zeitschrift „Kolonie und Wohnen“ angefertigt wurden.
Jimmi Wing Ka Ho brachte von seiner Reise unter anderem das schwankende Video aus dem Ausflugspark mit, welches nun seine Kölner Ausstellung „Invisible City“ eröffnet und suggestiv ein Gefühl der Verunsicherung auslöst. Auch den Künstler irritierte, wie herausgeputzt die deutsche Vergangenheit im Stadtbild erscheint, als wäre es nur eine harmlose Periode gewesen.
Die Spuren des Boxerkrieges in den Museen Wie deutsche Truppen über China herfielen
Der erste Blick fällt auf eine riesige Aufnahme an der hinteren Wand mit einem aufs Meer führenden Abwassertor. Rechts und links davon hat der Künstler alle 200 Fotografien aus dem Kölner Depot in Ölpapier gewickelt an der Wand platziert. Nur die Umrisse der Gebäude schimmern noch durch.