Berlin Art Week: Her mit den Trophäen!
Sich wie die Worte im Video von Lucas Odahara auf dem Wasser treiben lassen – das ist ein schönes Bild und vielleicht die beste Methode, um die Kunst im Wirbel der Art Week zu erfassen. Denn auch der Berlin Art Prize meldet sich nach zwei Jahren erzwungener Pause zurück. Mit acht nominierten Künstler:innen und ebenso vielen individuellen Projekträumen, die gesehen werden wollen, bevor am Donnerstag der Preis vergeben wird.
Odahara bringt alle Voraussetzungen mit. Seine Ausstellung „The Master’s Shoes“ reflektiert die Mechanismen, mit denen Macht vererbt wird. Dazu gehört die Sprache. Zusammen mit der Schriftstellerin Indrakanthi Perera hat der 1989 in Brasilien geborene Künstler Begriffe ausgemacht, die beide Kulturen mit ihrer kolonialen Geschichte verbinden. Die Worte Kompass, Pistole oder Meister gehören dazu, schwimmend erinnern sie an die Gewalt, die sich verbal vermitteln kann, ohne sichtbare Wunden.
Im Kontrast dazu steht der Projektraum von Stephanie Kloss. Die Möglichkeit einer Insel hat sie ihre unweit des Märkischen Museums gelegenen Räume genannt, die eigentlich ihr Atelier waren, Kloss aber während Corona zu einsam wurden. Seitdem bestreitet die Berliner Künstlerin hier ausgezeichnete Ausstellungen.
Höchste Zeit also, den Ort kennenzulernen. Denn auch dazu dient der Preis, der zum siebten Mal vergeben wird: Er rückt Projekträume, die ohne kommerzielle Absichten und mit größtem privatem Engagement zeitgenössische Kunst zeigen, in den Fokus.
Zur Möglichkeit einer Insel gesellen sich diesmal die Acud Galerie mit Hana Yoo, der erst im Sommer 2021 gegründete Projektort Scherben an der Leipziger Straße (Alicja Rogalska), Spoiler Aktionsraum in einem ehemaligen Autohaus in Moabit oder Peles Empire. Wo letztere die Arbeiten von Bassem Saad aufbauen, ist auf der Website zu erfahren, Neukölln, zweites Hinterhaus, im Keller. „Please ring Künstler*innenateliers Aufgang D 3.OG“: Anders kommt man nicht dazu, sich die eindrucksvollen Arbeiten des in Beirut geborenen Künstlers anzuschauen.
Wobei viele der bislang für die Art Prize-Shortlist Nominierten bereits in renommierten Häusern von Tokio bis New York vertreten waren. Doch die Arbeit mit den ambitionierten Projekträumen hat für viele Künstler:innen einen besonderen Reiz: Die roughen Räumlichkeiten und die Lust auf Experimente fordern beide Seiten gleichermaßen. Und nicht selten befeuert der Art Prize, in dessen Jury namhafte Protagonistinnen der Kunstszene wie Candice Brice oder Amelie von Wulffen sitzen, noch einmal die eigene Karriere.
Ähnliches gilt für den zweiten Preis, der ebenfalls während der Woche am 16. September vergeben wird; diesmal im etablierteren Rahmen junger Berliner Galerien, die sich mit einem spezifischen Projekt bewerben können. Über die Shortlist entscheidet eine wechselnde Jury, Partner sind der Landesverband der Berliner Galerien wie auch der Verband Berliner Kaufleute (VBKI), der das Preisgeld stiftet. Diesmal stehen mit Thomas Fischer, Soy Capitàn und Office Impart drei herausragende Galerien auf der Agenda, die die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung gut gebrauchen können.
Während Heike Tosun, die Soy Capitàn vor elf Jahren gründete, schon lange in Kreuzberg ansässig ist und sich Anne Schwanz wie Johanna Neuschäffer von Office Impart stark auf ihren digitalen Auftritt konzentrieren, musste Fischer schon mehrfach umziehen.
Nun zeigt er Fotografien des tollen Künstlers Sebastian Stumpf in der Mulackstraße und damit nahezu dort, wo in den neunziger Jahren die Berliner Kunstoffensive mit ihren ersten Galerien in Mitte begann. Auch das ein Grund, sich dort wieder einmal umzusehen.
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