Immer schön stumpf durch die Zombiekalypse
Niemand wohnt freiwillig in Raccoon City. Als die Umbrella Corporation noch vor Ort war, gab es wenigstens Arbeitsplätze. Doch etwas Unheimliches ist passiert in der kleinen Industriestadt im Mittleren Westen. Claire Redfield (Kaya Scodelario) spürt das sofort, als sie nachts an ihren fast menschenleeren Geburtsort zurücktrampt, an dem sie mit ihrem Bruder Chris in einem Waisenhaus aufwuchs. Die Kindheit der Redfield-Geschwister beschwört „Resident Evil: Welcome to Raccoon City“ gleich zu Beginn in gespenstischen Rückblenden.
Blöd nur, dass Google noch nicht erfunden ist. Das Reboot der „Resident Evil“-Reihe spielt Ende der 90er – als das Game erschien, auf dem die Filme basieren, in denen Milla Jovovich zwischen 2002 und 2016 sechs Mal die abgeklärte, Zombies meuchelnde Actionheldin spielte. Mit „The Final Chapter“ war vor fünf Jahren Schluss.
„Resident Evil“ präsentierte sich stets als solide stumpfe und dabei streng an einer Level-Dramaturgie klebende Zombieklatsche, meist inszeniert von Jovovich-Ehemann Paul W. S. Anderson; und ko-produziert von der deutschen Constantin. Das „Reboot“ bemüht sich nun, frischen Wind – beziehungsweise, im Fall der Raccoon City, neuen Regen – in das Zombiekillerin-Spektakel zu bringen.
Regisseur und Drehbuchautor Johannes Roberts setzt zunächst auf schönen Grusel. Auch mithilfe der zeitlichen Distanzierung, subtil zementiert durch den 90er-Soundtrack mit entsprechend interpretierbaren Titeln (The Cardigans „I’m losing my Favourite Game“, die 4 Non Blondes mit „What’s up“), erschafft er ein düsteres, artifizielles Setting, in dem die Oberlandleitungen atmosphärisch im Wind quietschen und glatzköpfige Gestalten sich hinter Scheiben abzeichnen.
Verregnete Hommage an das Videospiel
Die erste Stunde fängt Maxime Alexandre noch in verregneten Bildern als Hommage an das Videospiel mit seinem dichten, dissoziativen Ambiente ein. Die etwas farblose Claire stolpert bei der Spurensuche nach ihrer verlorenen Kindheit in Raccoon City über Zombiemädchen, Hunde, denen Blut aus den Augen tropfen, und ersten infizierten Menschen. Eigentlich wollte sie sich ja nur mit ihrem entfremdeten Bruder (Robbie Amell) versöhnen.
Die Nebenfiguren, darunter eine Polizist:innen-Clique, sind ein inzwischen vertrauter Mix aus gutaussehend, zielgruppenkompatibel und divers: Hannah John-Kamen sowie die Seriengesichter Tom Hopper („Umbrella Academy“) und Avan Jogia („Twisted“) verkörpern genau je eine Drehbuch-Eigenschaft (Mut, Falschheit, Naivität), den Antagonisten gibt Neil McDonough als Mad Scientist. Etwas ist im wahrsten Wortsinn faul in Raccoon City. Als auch noch Zombieraben auftauchen und die Sperrung der Stadt droht, kann die Zombie-Keile endlich beginnen.
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Mit dem Wechsel von der Spannungs- auf die Actionebene verliert „Resident Evil: Welcome to Raccoon City“ allerdings bald seine Faszination. Die Geschichte wird kruder, der Rhythmus stockt: In der zweiten Hälfte schleichen die Protagonist:innen überwiegend durch dunkle Kulissen, wenn sie nicht gerade von Jump-Scares auf blutsabbernde Zombies aufgeschreckt werden. Nach ein paar Schüssen und knackenden Knochen geht das Spiel wieder von vorne los.
Man kann das einem Zombiefilm vielleicht nicht vorwerfen: Wer Resident Evil will, bekommt eben Resident Evil. Doch die von neuen Ideen weitgehende freie Geschichte wird Genrefans kaum noch hinter der Konsole hervorlocken. Dafür gibt es inzwischen zu viele Ebenen im Zombie-Narrativ; seien es psychologische Konflikte, die „The Walking Dead“ eine Weile interessant machten, oder nachdenkliche Romantic Comedies wie „Warm Bodies“. Zombie allein genügt nicht. Da können die Köpfe noch so effektvoll platzen. (Seit Donnerstag in den Kinos)