„Ziel ist die Scharia als Gesetz“: Extremismusforscher Ahmad Mansour warnt vor dem politischen Islam

Gleich zu Beginn seines Buches „Operation Allah – Wie der politische Islam unsere Demokratie unterwandern will“ erklärt der arabisch-israelische Diplom-Psychologe Ahmad Mansour, einer der profundesten Kenner der islamischen Szene, er müsse jene enttäuschen, die ernsthaft glauben, von allen Muslimen gehe per se eine Gefahr aus. Er müsse aber auch jene enttäuschen, die ihm vorwerfen, er mache den Islam schlecht.

Es ist mehr als der beiläufige Hinweis eines Mannes, der unter anderem die Polizei berät, an Schulen arbeitet und unzählige Workshops geleitet hat. Er trifft die Kernbotschaft seines Buchs. Sie ist nötig, weil kritische Diskussionen zu bestimmten Punkten des Islam oft schnell ins Schwarz-Weiß-Denken absinken.

Mansour, längst deutscher Staatsbürger, ist häufig Zielscheibe bei diesen Diskussionen – und sieht sich seit Jahren mit Todesdrohungen konfrontiert.

Mansour, der Familien von radikalisierten Jugendlichen begleitet, positioniert sich zwischen diesen Polen. Ständig weist er darauf hin, dass es nicht die Muslime gibt. Sein Fokus liegt dabei auf jenen Muslimen, die zum politischen Islam gehören.

Er, der als Jugendlicher zu den radikalen Muslimbrüdern gehörte, er will darauf aufmerksam machen, wie sehr Demokratie gefährdet werden kann. Unterwanderung bedeutet für ihn ein langer Prozess, an dessen Ende Probleme stehen könnten, die man nur noch schwer in Griff bekommt.

Wir müssen das Problem klar benennen und als Gesamtgesellschaft dagegensteuern.

Ahmad Mansour, Islam-Experte

Mansour definiert politischen Islam so: Ideologien, die Religion nicht nur spirituell verstehen, sondern eine politische Dimension hinzufügen, indem sie einen Systemwechsel anstreben.

Das Ziel sei eine Staats- und Gesellschaftsordnung, in der nach den Bestimmungen der religiösen Gesetze des Islam, der Scharia, regiert wird.

Ahmad Mansour klärt in Schulen auf und hat zahlreiche Workshops zur Extremismusprävention geleitet.
Ahmad Mansour klärt in Schulen auf und hat zahlreiche Workshops zur Extremismusprävention geleitet.
© imago/Patrick Scheiber / IMAGO/Patrick Scheiber

Es ist jene Denkweise, die ein patriarchalisches Frauenbild vertritt, sexuelle Selbstbestimmung von Frauen von Grund auf ablehnt, Nichtmuslime als Ungläubige bezeichnet und Kritik an solchen Punkten sofort als generellen Angriff auf den Islam bezeichnet.

Eine Denkweise, die Demokratie als islamfeindlich bezeichnet und in utrakonservativen Koran- und Sprachschulen Werte vermittelt, die mit den westlichen Vorstellungen von Toleranz wenig zu tun haben.

Vertreter dieses politischen Islam, so Mansour, nützen die Strukturen der Demokratie, um sich auszubreiten, in der Polizei, in der Politik, in der Wissenschaft, in den Medien, in der Integrations- und Sozialarbeit.

Mansour schlüsselt dies detailliert auf. Die Rücksichtnahme von Politikern auf die islamische Organisation DITIB zum Beispiel. DITIB ist der verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Erdogan, trotzdem gilt DITIB als Gesprächs- und Verhandlungspartner.

Und weil die Vertreter des politischen Islam offiziell natürlich keine radikalen Thesen verträten, gelten sie für Politiker und Medien als Ansprechpartner. Aus Mansours Sicht ein Fehler. Es gibt für Muslime kein allgemeines Sprachrohr.

Und noch einen Punkt nützt der politische Islam, der die Opferrolle der Muslime kultiviere, so Mansour, geschickt aus. Kritik an der radikalen Denkweise des Islam gilt oft sofort als Rassismus oder Islam- oder Ausländerfeindlichkeit. Diesem Vorwurf, klagt Mansour, wolle sich niemand aussetzen.

Muslimische Frauen, die unterdrückt werden, bleiben wenig beachtet

wer In der Tat ist es auffällig, dass in der Gesellschaft der Kampf um Frauenrechte und sexuelle Selbstbestimmung und Toleranz einerseits intensiv und lautstark geführt wird, gleichzeitig aber eine Gruppe eher unbeachtet bleibt: jene muslimischen Frauen und Mädchen, die von Selbstbestimmung und Toleranz nur träumen können.

Sie dürfen keinen Sex vor der Ehe haben, sie dürfen sich oft nicht in jene Menschen verlieben, die sie wirklich mögen, viele sind gezwungen Kopftuch zu tragen, weil es ansonsten Druck aus der Familie oder von der Community gibt.

Viele Lehrer beobachten, dass muslimische Schülerinnen auf dem Schulhof unter der Beobachtung ihrer Brüder stehen. Das alles findet unterhalb des Radars statt. Die meisten Muslime, sagt Mansour auch, „haben mit dem politischen Islam nichts zu tun“.

Aber eine Minderheit ist lautstark, einflussreich und – eine Gefahr die Demokratie. „Genau deshalb“, schreibt er, „ist es so wichtig, das Problem zu erkennen, es klar und differenziert zu benennen und als Gesamtgesellschaft dagegen zu steuern.“

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