Wo sind eigentlich die Humboldts im Forum?
Alexander von Humboldt wurde 1769 in Berlin geboren. 1859 starb er in dieser Stadt, die ihm nie wirklich eine Heimat war. Fünf Jahre dauerte seine Amerikareise, die ihn berühmt machte, danach lebte er zwei Jahrzehnte in Paris – wohin es ihn immer wieder zog. Vieles in Berlin war ihm herzlich zuwider, und das beruhte auf Gegenseitigkeit.
Seine harte Rolle als Kammerherr der preußischen Könige hat er in hohem Alter einmal so beschrieben: „Ich bin ja, während der letzten Jahre, selbst eine mißliebige Person geworden; und würde längst als Revolutionär und Autor des gottlosen ,Kosmos’ ausgewiesen sein, verhinderte dies nicht meine Stellung beim Könige. Den Pietisten und Kreuzzeitungsmännern bin ich ein Gräuel. Nichts würde ihnen lieber sein, als dass ich schon unter der Erde vermodere.“
Dass auf der Kuppel des Humboldt Forums ein Kreuz prangt, wirkt vor dem biografischen Hintergrund des Namensgebers makaber. Sein wissenschaftliches Hauptwerk, der fünfbändige „Kosmos“, war Gegenstand scharfer Attacken: Humboldt hatte, noch vor Darwin, von Gott und Schöpfung abgesehen. Mal galt er als Franzose, mal als roter Baron. Seine homosexuelle Neigung war ein weiterer Grund, dass er von führenden Kreisen in Berlin als Paria behandelt wurde.
All das ist lange her und überwunden. Und doch wundert man sich, wie wenig Alexander von Humboldt im Humboldt Forum präsent ist. Gleiches gilt für Bruder Wilhelm. Auch er hatte kein einfaches Verhältnis zum preußischen Staat, dem er lange diente. Die Vorstellung, Wilhelm von Humboldt sei, anders als Alexander, der vorbildliche, tadellose Bürger und Patriot gewesen, ist jedenfalls überholt. Er war ein Freigeist partout.
Geht man jetzt durch das Gebäude, das ihren Namen trägt, so sucht man sie vergebens. Wichtiger schienen den neuen Schlossherren die Riesenskulpturen der brandenburgischen Kurfürsten, die jetzt im dritten Stock wieder zu sehen sind, ein dynastisches Spektakel in Marmor. Die Humboldts waren im Humboldt Forum eigentlich nie richtig vorgesehen; erst spät entschloss sich die Leitung, auf den Fenstern im Hof und dahinter Hinweise anzubringen, die neugierig machen auf eine Ausstellung, die aber gar nicht existiert.
Berlins Bürokratie ist der undurchdringlichste aller Dschungel
Warum nur tut sich Berlin mit den Humboldts so schwer, bis heute? Neil MacGregor, der Gründungsintendant des Forums, hat dafür eine schmerzhafte Erklärung: „Beide bahnten sich, Alexander und Wilhelm von Humboldt, ihren Weg durch die Wildnis. Alexander durch das Dickicht des Regenwaldes im Amazonas und Wilhelm als Staatsmann, preußischer Diplomat und Bildungsreformer im märkischen Sand. Erst sehr spät habe ich verstanden, dass es vielleicht Wilhelm war, der sich durch den undurchdringlichsten aller Dschungel geschlagen hat, durch den Dschungel der Berliner Bürokratie.“
So sprach MacGregor 2017 bei einem Festakt auf Schloss Tegel, wo Wilhelm von Humboldt bis zu seinem Tod 1835 lebte, aus eigener Erfahrung. Er hatte sich seine Arbeit in der deutschen Hauptstadt anders vorgestellt.
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Für die Humboldts blieb es schwer in Berlin. Rudolf Virchow startete 1869 eine Initiative für ein Humboldt-Denkmal. Der Staat lehnte jede Beteiligung ab. Private Spender brachten das Geld zusammen. Erst 1883 wurden die beiden Statuen für Alexander und Wilhelm von Humboldt Unter den Linden eingeweiht.
Humboldt-Forum: Es genügt nicht, die Humboldts auf dem Panorama im Eingang zur „Berlin Global“-Ausstellung zu verstecken. Kommt man nach Lateinamerika, nach Bogotá, Lima, Havanna, hat der Name Humboldt einen ganz anderen Klang, besonders bei jungen Wissenschaftlern und Künstlerinnen. Das am Dienstag eröffnete Haus muss sich den Titel verdienen. Das Publikum brennt vor Neugier: 35 000 Zeitfenstertickets sind bereits verkauft.