Thilo Mischke, die ARD und die Kultur: Die angekündigte Prüfung kommt reichlich spät
Als Ruhmesblatt lässt sich nicht gerade bezeichnen, wie die Verantwortlichen für die Kultursendung „Titel, Thesen, Temperamente“ und ihr Social-Media-Team mit der Causa Thilo Mischke umgehen, für die sie letztendlich hauptverantwortlich sind.
Kaum war verkündet worden, dass Mischke dem scheidenden Max Moor als Moderator nachfolgen soll, hagelte es Kritik wegen Mischkes Sexbuch-Vergangenheit. Man nehme „die Lage ernst“, so hieß es zuerst an die Adresse der „ttt“-Community gerichtet mit der „Bitte um Geduld“.
Dann schrieb das „ttt“-Social-Team einen Tag später, man habe Mischke „selbst hierzu befragt“, also zu seinem Sex-Reise-Buch „In 80 Frauen um die Welt“ – ohne dass erkennbar wurde, wann die ARD- und „ttt“-Verantwortlichen ihn dazu befragt haben. Und seit Weihnachten betont man bei „ttt“ auf dem eigenen Instagram-Account, dass „feministische Perspektiven“ die Arbeit der Sendung prägen würden, man die Kritik an Mischke – noch einmal – „ernst“ nehme und es seit Tagen „intensive Gespräche“ gebe, „um die Vorwürfe zu prüfen“.
Soll Mischke jetzt einer Gewissensprüfung unterzogen werden?
Das klingt, als würde die ARD eben erst jetzt untereinander und mit Mischke über seine Vergangenheit reden und sich der heftigen Kritik wegen Gedanken über Mischkes Frauenbild gemacht haben – und nicht, als er in den engeren Kandidatenkreis kam. Vorwürfe prüfen? Mischkes Bücher und „GQ“-Kolumnen gibt es, seine Podcast-Äußerungen dazu, die konnten lange schon gelesen und gehört werden. Diese Prüfung kommt doch reichlich spät. Soll Mischke jetzt einer Gewissensprüfung unterzogen werden?
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Offenbar waren die „ttt“-Verantwortlichen so begeistert von ihrer Idee, einen anerkannt guten Reporter zu verpflichten, einen, der womöglich investigative Kulturrecherchen betreibt, dass ihnen alles andere aus dessen Vita egal war: „Ab jetzt Krieg und Krise und Kultur“, so hat Misckke sich selbst bei Instagram vorgestellt. Was schon mal seltsam breitbeinig klingt.
Dass sein Kulturbegriff ein „unterkomplexer“ sei, fügte er einen Post später noch hinzu, es ginge ihm darum, dass alle Menschen Kultur konsumieren können. Auch das dürfte ein Grund für die Fernsehgewaltigen der ARD gewesen sein, Mischke zu verpflichten und die sowieso spärliche Kulturberichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen raus aus dem vermeintlichen Elfenbeinturm zu holen.
„Konsequent“ habe man sich immer mit Sexismus und toxischer Männlichkeit bei „ttt“ auseinandergesetzt, schreibt das Magazin noch bei Instagram. Im Fall von Thilo Mischke und seinen Büchern und Kolumnen, die kaum als „Jugendsünden“ verstanden werden können, ist das nur unzureichend geschehen. Jetzt heißt es, das „Thema aufarbeiten“, was so viel heißt, sich aus dieser Affäre zu ziehen. Der Schaden aber könnte schon jetzt nicht größer sein.