Neues Album von Brandt Brauer Frick: Weltfrieden auf dem Dancefloor

Der Hofeingang auf der wuseligen Sonnenallee sieht eigentlich aus wie alle anderen. Aber betritt man das Gebäude, scheint der Lärm Neuköllns ganz weit weg: ein großer Raum, ausgekleidet mit Schaumstoff für den Schallschutz, in der Mitte ein schwarzer Flügel, auf den sich Bücher und Magazine stapeln – die englische Ausgabe von David Graebers „Anfänge“ liegt neben einer aktuellen „Titanic“ – daneben Synthesizer aller Größen und Formen, Computerscreens, Instrumente, Sofas, Bettzeug, Regale voller Platten und Equipment. „Hier sind fast alle unsere Aufnahmen entstanden“, erzählt Jan Brauer. Hier liegt der Nukleus von Brandt Brauer Frick, hier ist ihr Zuhause.

Brandt Brauer Frick, ein Bandname, so deutsch wie nur irgend vorstellbar und für den internationalen Markt, so würden wahrscheinlich wirtschaftlich gesinnte Berater empfehlen, völlig unbrauchbar. Wer kann das außerhalb des deutschen Sprachraums aussprechen? Aber Brandt Brauer Frick haben seit ihrer Bandgründung irgendwann um 2008 herum gezeigt, dass solche Äußerlichkeiten kaum zählen, wenn der Sound überzeugt.

Und das tat er, schon seit dem ersten Video zu „Bop“, bei dem das Trio in strengen Anzügen auf akustischen Instrumenten Techno spielt. Damit war die Gruppe stilbildend – und begründeten ganz nebenbei das Genre elektronischer Musik mit akustischer Instrumentierung mit.

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15 Jahre, ein gefeiertes Ensembleprojekt und Auftritte auf der ganzen Welt später, veröffentlichen Brandt Brauer Frick am Freitag ihr sechstes Album, „Multi Faith Prayer Room“ (Virgin). „Wir hatten wieder Lust auf Clubmusik“, sagt Brauer „und wollten wieder diese Energie spüren“. Und tatsächlich schafft es das Album, Minimalismus und Hedonismus miteinander zu verbinden wie es wohl nur ein Dancefloor kann.

Die 13 Songs wirken, als zeichneten Brandt Brauer Frick den Verlauf einer Nacht im Club nach: Das geht vom ruhigen Start voller Vorfreude („Ready to Connect“), über Nervosität in der Schlange („Mad Rush“), Begegnungen an der Bar („This Feeling“ mit Sophie Hunger) und euphorische Momente des Exzesses hin zur Peaktime mit vollem Bass („Perpetuate“) und endet mit einem melancholischem Gang nach Hause bei Sonnenaufgang („Faith“).

Bei allem Hedonismus ist „Multi Faith Prayer Room“ aber auch eine Art Konzeptalbum: Über Monate hat die Band Stimmen von mehr als 500 Personen gesammelt, die über ihre Visionen, ihr Vertrauen in die Zukunft oder ihre Alltagsrituale sprechen. Teils fanden diese Stimmen Eingang auf dem Album in Form von Einschüben wie „Rituals“ oder „Future“, wo sie mit ätherischem Gesang der katalanischen Musikerin Marina Herlop kombiniert werden. Die meisten aber sind nur im Rahmen einer immersiven Kunstinstallation zu hören, die die Band mit Autor und Kurator Max Dax entwickelte und auf der Miami Art Fair vorstellte.

Warum diese Erweiterung um ein Kunstprojekt? „Das Album musste nicht so schnell fertig werden“, erinnert sich Brauer und lacht, „es war ja Lockdown – also ging es immer weiter und es wurde immer größer.“ Das Projekt wuchs, sie luden weitere Gäste ein, manche kannten sie schon lange, mit anderen hatten sie schon längst mal kollaborieren wollen. Also versammelten sie so verschiedene Künstler:innen wie Mykki Blanco oder Sophie Hunger auf dem Album, baten House-Legende Duane Harden, Japanerin Kom_I oder Nigerianer Azekel hinzu. Das Ergebnis ist eine vielstimmige Dancefloor-Expedition, aber gleichzeitig auch eine vielstimmige Meditation über Hoffnungen und Wünschen.

In realen „Multi Faith Prayer Rooms“, also interreligiösen Andachtsräumen in Flughäfen oder Messehallen, treffen ja auch die verschiedensten Menschen friedlich aufeinander, meint Jan Brauer. Ähnlich wie auf der Tanzfläche eines Clubs – oder auf der Sonnenallee, draußen vor den Türen des Studios. Und vielleicht liegt irgendwo darin ja der Schlüssel zum Weltfrieden. Den Sound für den Rave dahin haben Brandt Brauer Frick mit „Multi Faith Prayer Room“ schon mal geschaffen.