Vor dem Auftaktspiel der Fußball-WM: Ganz Australien ist verrückt nach Sam Kerr

Australien ist kein Fußball-begeistertes Land. Hier regieren Rugby, Cricket und ein Ballspiel namens Aussie Rules Football (AFL). Doch mit dem Start der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen am Donnerstag kristallisiert sich ein neuer Superstar heraus, der für die gesamte Sportart reformierend sein könnte: Die 29-jährige Sam Kerr. Sie wird schon heute gerne mit der legendären Cathy Freeman verglichen.

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Cathy Freeman kennt in Australien jedes Kind. Auf der indigenen Läuferin lastete bei den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000 ein gigantischer Druck, als der Startschuss für das 400-Meter-Finale fiel. Freeman kam als Dritte in die letzte Kurve, doch auf den letzten Metern gelang es der damals 27-Jährigen, die beiden Läuferinnen vor ihr zu überholen und Gold für Australien zu gewinnen. Damals war Sam Kerr gerade mal sieben Jahre alt, doch der für Australien prägende Moment blieb Kerr im Gedächtnis.

Dies sei „der sportliche Moment“ gewesen, der ihre Einstellung verändert habe, sagte Kerr einst in einem Interview mit dem Fußball-Weltverband Fifa. „Allein zu sehen, wie eine Person so konzentriert sein kann und die Last der Nation auf ihrem Rücken trägt, das hat mich als Kind wirklich gereizt.“ Kerr hofft nun auf einen ähnlichen Cathy-Freeman-Moment, wenn sie ab Donnerstag mit ihren zehn Teamkolleginnen beim Auftaktspiel gegen Irland (12 Uhr/ARD) auf dem Platz steht.

Dass Kerr einmal ein Fußballstar wird, damit hatte ihre Familie keineswegs gerechnet. Denn die heute 29-Jährige liebte wie ihr älterer Bruder Daniel Aussie Rules Football, bei dem es jedoch ähnlich wie beim Rugby deutlich härter als beim klassischen Fußball zur Sache geht. Je älter die Spieler:innen wurden, umso häufiger kam Kerr mit einem dicken Auge oder anderen Verletzungen nach Hause. Im Teenageralter spielten dann immer weniger Mädchen AFL und auch bei Kerr fiel schließlich die Entscheidung, doch zum Fußball zu wechseln.

Dass die Sportlerin sich auch dabei als Talent erwies, ist so überraschend eigentlich nicht, denn das „Sport-Gen“ liegt in ihrer Familie. Ihr Großvater Denzil, der in Indien als Sohn eines englischen Vaters geboren wurde, war ein Boxer im Federgewicht. Ihre indische Großmutter Coral spielte Basketball auf Wettkampfniveau. Ihr Vater Roger und ihr Bruder Daniel waren beide professionelle Australian-Rules-Football-Spieler. Auch andere Verwandte spielten AFL und ein Onkel war ein erfolgreicher Reiter.

Kerr debütierte schon als 15-Jährige für das Nationalteam

Bei Kerr war das Talent so früh erkennbar, dass sie bereits im Alter von 15 Jahren auf der internationalen Bühne für Australien debütierte. Inzwischen ist sie die Kapitänin der „Matildas“ – wie das Frauen-Nationalteam in Australien genannt wird. Die junge Sportlerin ist aber nicht allein wegen ihres außergewöhnlichen Fußballtalents bei den Fans beliebt, sondern auch wegen ihrer sympathischen Art und ihres „Signature Move“ – einem Rückwärtssalto.

Letzteren wollte ihr ihr englischer Klub FC Chelsea wegen der Gefahr von Verletzungen eigentlich ausreden, doch Kerr ließ sich nicht abhalten. Mit Chelsea gewann die Australierin, die ursprünglich aus Perth stammt, gerade zum vierten Mal in Folge die englische Meisterschaft. Kerr hat sich dabei als zuverlässige Torschützin einen Namen gemacht. Auch in internationalen Spielen hat sie bereits über 60 Tore geschossen, fünf davon bei der letzten Weltmeisterschaft 2019. Welche Stellung sie inzwischen in Australien als Sportlerin erreicht hat, wurde nicht zuletzt deutlich, als sie anlässlich der Krönung von Charles III. die australische Flagge tragen durfte.

Wie viel Chancen die „Matildas“ in dem anstehenden Turnier haben und ob der Heimvorteil tatsächlich einer ist, das müssen die kommenden Wochen zeigen. Auf der Weltbühne rangiert das australische Nationalteam derzeit auf dem zehnten Rang, die Form der vergangenen Wochen gibt Anlass zur Hoffnung. Hatten das Team vor einem Jahr noch 0:7 gegen Spanien verloren, so hat sich die Mannschaft inzwischen deutlich besser eingespielt und acht der letzten neun Spiele gewonnen, darunter Spiele gegen das schwedische und das englische Team. Letztendlich wird es vermutlich auch darauf ankommen, ob die Nerven mitspielen.

Kerr selbst hat sich dafür eine gewisse Routine zugelegt, über die Außenstehende gerne mal den Kopf schütteln. So isst sie vor jedem Spiel ein „Pasta-Sandwich“, also ein Brot mit Nudeln. Außerdem muss sie im Bus wie auch im Flieger immer auf dem gleichen Sitz Platz nehmen und auch beim Thema Socken ist sie eigen: Die dürfen keine Fäden ziehen. „Meine Socken müssen absolute Perfektion sein“, so die Spielerin mit der Nummer 20 auf dem Trikot. Besonders schwierig könnte es für Kerr aber werden, sollte Australien im Turnier auf den derzeitigen Favoriten USA treffen. Denn in diesem Team spielt ihre Partnerin mit, die US-amerikanische Fußballerin Kristie Mewis.