Code der Bilder

ak

Maki Na Kamura: “Landschaftsdarstellung LXV” (2021)Foto: Galerie Contemporary Fine Art

Was sich auf den ersten Blick als ungegenständliche Malerei von ausgesuchtem Farbempfinden präsentiert, erweist sich bei genauerem Hinsehen als einzigartige Synthese aus fernöstlicher und europäischer Tradition, abstrakter Kunst und Landschaftsmalerei. Es ist die zweite Ausstellung von Maki Na Kamura in der Galerie CFA Berlin nach ihrem Debut 2017. Mit 16 neuen Bildern (Preise: 13.000–39.000 Euro) setzt die japanische Künstlerin ihre Streifzüge durch die abendländische Kunstgeschichte fort, um laut Titel ihre eigene „Bildsprache des Unangepassten, des Unliterarischen“ weiterzuentwickeln, kurz: B – DU DU.

 So rätselhaft der Nonsens-Titel sein mag, so programmatisch verwahrt sich der Untertitel gegen alles Angepasste und Literarische, was umso mehr überrascht, als man in jedem ihrer noch so abstrakten Bilder die zugrunde liegende Komposition einer kunsthistorischen Landschaftsmalerei zu erahnen meint. Ob von Giorgione, Dürer, Millet oder Puvis de Chavanne, geht es der Künstlerin nicht um das kunsthistorische Zitat, nicht um den malerischen Akt der Entsprechung, auch nicht um die Abstrahierung des literarischen Landschaftsmotivs, sondern um ein bestimmtes kompositorisches Muster oder Grundgerüst, den genetischen Code des Bildes.

 Farbflächen verdichten sich zu Wolken

Wenn Aby Warburg dem formelhaften Gefühlsausdruck bestimmter Gestik und Mimik seit der Antike mit seinen Pathosformeln nachgespürt hat, erforscht Maki Na Kamura die kompositorischen Grundstrukturen und Gesetzmäßigkeiten der abendländischen Malerei. Je nachdem, ob man ihre Bilder aus der Nähe oder Ferne betrachtet, scheinen sich Farbflächen zu Seen, Büschen oder Wolken zu verdichten, schaffen unterschiedliche Größenverhältnisse landschaftliche Tiefenräume mit Vorder- und Hintergründen, erzeugen Pinselschwünge Rhythmik und Dynamik. Dabei geht es nicht um die Illusion der Landschaft, sondern um die Autonomie der Bildkomposition.

 Exemplarisch lässt sich das an der kleinen „Landschaftsdarstellung LXV“ zeigen: Im Vordergrund links scheint eine Reitergruppe im Begriff dem kühnen Pinselstrich quer über das Bild zu folgen, während sich im Mittelgrund eine weiß gesprenkelte Verdichtung wie ein mit Lanzen bewaffneter Trupp nähert, über dem sich ein dramatischer Wolkenhimmel zusammenzieht. Nicht die inhaltliche Erzählung, sondern die formale Anordnung unterschiedlicher Bildelemente mit ihrem je eigenen Pinselduktus erzeugt die geradezu altmeisterliche Wirkung eines Renaissance-Gemäldes.

Zitate aus der Welt des K-Pop

Anders jedoch als jedes Vorbild wendet Na Kamura dabei eine spezielle Mischtechnik aus Aquarell- und Ölmalerei an, bei der sie Ölfarbe und Wasser, manchmal auch Eitempera einsetzt, um die unterschiedlichen Effekte des lasierenden und deckenden Auftrags zu nutzen. Anders auch als jedes Vorbild verwendet die Künstlerin eine ganz eigene Farbpalette, die neben verwaschenen Natur- und Mischtönen einen besonderen Farbklang aus Lila und Gelb aufweist, dazwischen satte Grüntöne, tiefes Ultramarin, helles Himmelblau und neuerdings auch leuchtende Magenta-Töne. Das Spektrum ihrer Palette umfasst diesmal sämtliche Jahreszeitenfarben, die, von Millets „Le Printemps“ aus dem Jahreszeitenzyklus inspiriert, besonders reizvolle Lichtverhältnisse erzeugen. Daneben tauchen erstmalig auch grellere Farben auf, die aus der hochartifiziellen Videoclip-Welt des sogenannten K-Pop stammen, in der koreanische Boy und Girl Groups ihre perfektionistischen Choreographien in eine digitale Bilderflut tauchen. Ohne dass man Na Kamuras Bildern diese unterschiedlichen Quellen je ansehen würde, können sie ihre fernöstliche Herkunft nie ganz verleugnen. Die japanische Tuschemalerei mit ihren stimmungsvollen und reduzierten Darstellungen von Landschafts- und Naturmotiven bildet eine Art Matrix, in die sich alle anderen Einflüsse eintragen lassen. Im Interview des Katalogs fasst Na Kamuras jüngerer Malerkollege Henning Strassburger die Wirkung zusammen: „Man steht vor künstlichen Bildräumen mit artifiziellem Farbspektrum.“

Galerie Contemporary Fine Art, Grolmannstr. 32/33; bis 5. Juni; Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa 11-17 Uhr, Katalog: 20 Euro