Wie wir uns bauen : Der Stil der alten Postämter

Postämter zeigten traditionell den Staat als das große Gemeinsame. Das königlich-preußisch geziegelte Postfuhramt in Mitte, das nach dem Modell von Hansestadt-Rathäusern gestaltete kaiserliche Postamt in Neukölln, noch das West-Berliner Postbankhochhaus am Halleschen Ufer mit seiner cool-modernistischen Turmform zeugen von diesem Selbstbewusstsein. Hier holten sich die Alten ihre Rente, die Mittelalten ihre Mahnungen und die Jungen ihre Liebesbriefe „poste restante“, die nicht schon nach sechs Liege-Tagen den Weg in irgendein Post-Nirvana antraten.

Es sei Pardon erbeten für diesen Anflug von Sentimentalität. Sie kam auf, als ich wieder mal ein Päckchen abholen musste, in einem dieser Läden, die zugleich als Abhol- und Abgabestelle dienen. Manchmal sind das durchaus angenehme Etablissements, mit Schreibwaren, Not-Lebensmitteln, Zeitungen. Hier aber kam ich in das genaue Gegenteil: Eine, Pardon, Drogenhölle, in der der Post-Dienst weitgehend untergeht.

Schon im Schaufenster prangt die Werbung für Tabakerhitzer, auch als E-Zigaretten oder „Vapes“ bekannt. Die sind nur relativ viel weniger schädlich als brennende Stengel, machen aber auch sehr schnell Nikotin- süchtig (deswegen sind sie ja von der Tabakindustrie erfunden worden). Gleich hinter der Tür stehen stapelweise Kisten mit Bier, Bier, Bier und – Bier. Einige Kisten als Limo getarnte Zuckerbomben sind auch dabei.

Wir gehen vorbei an langen Regalen und Kühlschränken voller Wein- und Schnapsflaschen. Offenbar ist gerade eine kaputtgegangen, der Geruch mischt sich knie erweichend mit dem von Bierhefe. Bis zum nächsten olfaktorischen Generalangriff. Hier muss der Wodka kaputtgegangen sein. Oder Grappa? Kein Likör jedenfalls, der klebt erst einige Schritte weiter unter den Schuhsohlen.

Endlich der Tresen. Aber während das durchaus nette „Post“-Personal nach dem Päckchen fahndet, locken Schokoladen, Weingummis, Kekse, fettgetränkte Snacks sowie lange Reihen kleiner Schnaps- und Magenbitterflaschen im Vordergrund, die Tabakpäckchen im Hintergrund. Kurz: Suchtmittel, wohin man sieht.

Manchmal träume ich von sauberem, postgrünem Linolboden, kinderkackegelb gestrichenen Bürokratenwänden, dem staubigen Geruch des Wartens, dem Anblick einiger herumstehender Prospekte und Schreibwaren und gut bezahlten Beamten. Bis ich mich erinnere: Die schließen Punkt 12 Uhr: Mittag. Und kein Betteln und kein Bitten hilft. Da ist man bei den kleinen Drogenhöllen denn doch besser bedient.