Vor dem Heimspiel gegen Hertha BSC: Werder Bremen sorgt wieder für Wunder an der Weser
Nun wird Niclas Füllkrug am Hans-Koschnick-Airport in Bremen womöglich bald ein Flugzeug besteigen und sich auf den Weg nach Katar machen. Bundestrainer Hansi Flick hat sich zwar noch nicht festgelegt. Aber wie diese Woche bekannt wurde, soll Füllkrug einer von 44 Namen sein, die der DFB für die Weltmeisterschaft bei der Fifa hinterlegt hat. Der Stürmer selbst sagt dazu nichts. Aber sollte Füllkrug es bis in den endgültigen WM-Kader der deutschen Nationalmannschaft schaffen, wäre er der erste Werder-Profi, dem das gelingt, seit Mesut Özil und Per Mertesacker vor zwölf Jahren.
Schon jetzt haben Füllkrug und sein Verein einen erstaunlichen Weg genommen. Schließlich ist es erst ein Jahr her, da saß der 29-Jährige auf der Ersatzbank des Zweitligisten Werder Bremen. Wenn er reinkam, dann traf er nicht. Und nach einem desaströsen 0:3 bei Darmstadt 98 geriet er mit dem sportlichen Leiter Clemens Fritz aneinander. Es fielen Worte, die Füllkrug eine kurzzeitige Suspendierung und eine dicke Geldstrafe einbrachten. Wäre es nach dem damaligen Trainer Markus Anfang gegangen, dann hätten sie Füllkrug in die Wüste geschickt – und sicherlich nicht zur WM nach Katar. Stattdessen verabschiedete sich Anfang selbst wenig später nach der Affäre um seinen gefälschten Impfpass.
Füllkrug dagegen startete mit dem neuen Trainer Ole Werner durch. Gemeinsam mit Marvin Duksch bildete er fortan ein Sturm-Duo, das sich selbst als „die hässlichen Vögel“ bezeichnete und zusammen 40 Saisontore schoss. Nach dem Aufstieg machten die beiden, vor allem Füllkrug in Liga eins so weiter. Acht Tore in elf Spielen. Füllkrug führt die Torjägerliste an, was auch mit der Art und Weise zusammenhängt, wie Werder Fußball spielt.
Es gibt innerhalb einer Saison Phasen, die für dich und die gegen dich laufen.
Ole Werner
Die Mannschaft hat der Versuchung vieler Aufsteiger widerstanden, sich hinten reinzustellen. Werder steht wieder für Spektakel in beide Richtungen – fast wie in besten Zeiten. 5:1 gegen Mönchengladbach, 3:4 gegen Frankfurt. Und natürlich der 3:2-Sieg in Dortmund mit drei Toren in den letzten sechs Minuten. Die lange Liste der Werder-Wunder ist seitdem wieder um einen Eintrag reicher. Viele Jahre haben die Fans in Bremen ausschließlich in der Vergangenheit gelebt, nun gibt es wieder eine Mannschaft im Hier und Jetzt, an der sie sich festhalten können.
Dabei ist Werder mit deutlich geringerem Budget in diese Saison gegangen als in den Bundesliga-Jahren zuvor. Die Aufstiegself ist weitgehend zusammengeblieben, gezielt verstärkt auf drei, vier Positionen. Werder kommt ohne Stars daher, dafür mit mannschaftlicher Geschlossenheit. Dieses Konzept ist aus der Not geboren, hat aber bekanntlich auch in Freiburg, Mainz oder beim 1. FC Union funktioniert. Dazu kommt in Ole Werner ein kompetenter und bodenständiger Trainer mit norddeutschem Lokalkolorit, der dafür sorgt, dass seine Mannschaft trotz des guten Saisonstarts nicht abhebt.
Werder verlor zuletzt drei Mal innerhalb von acht Tagen
Wie schnell es auch in die andere Richtung laufen kann, hat schließlich die vergangene Woche gezeigt. Von einer „Horrorwoche“ war nach drei Niederlagen innerhalb von acht Tagen in Bremen die Rede. Auf eine Heimniederlage gegen Mainz folgten das Pokal-Aus im Elfmeterschießen in Paderborn und ein 0:2 beim SC Freiburg, bei der die Bremer ihren Kapitän Marco Friedl schon nach 14 Minuten mit Roter Karte verloren. Er wird Werder heute Abend (20.30 Uhr/Dazn) im Heimspiel gegen Hertha BSC fehlen.
Dennoch machen die Bremer nicht den Eindruck, dass die Horrorwoche sie verschrecken könnte. Sie erinnert die Mannschaft eher daran, wo sie herkommt: aus der Zweiten Liga. „Es gibt innerhalb einer Saison Phasen, die für dich und die gegen dich laufen“, sagt Ole Werner. Und für Füllkrug geht ein Fußballspiel „mal so aus und mal anders“. Gerade als Aufsteiger müsse man eben damit rechnen. „Jetzt geht es darum, dass wir die Dinge wieder rauskramen, die wir in dieser Saison gut gemacht haben“, sagt Werner.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Werder bisher von Verletzungen weitgehend verschont blieb. Gegen Freiburg fehlten den Bremern erstmals vier bis fünf Stammspieler. Das kann die Mannschaft noch nicht kompensieren. „Wir haben keinen Monsterkader“, sagt Werner.
Gegen Hertha sind bis auf den gesperrten Friedl wohl alle wieder an Bord. Gerade gegen die Berliner wäre ein Sieg für Werder wichtig. Denn das Saisonziel bleibt der Klassenerhalt. Das Schlimmste, das den Bremern dabei passieren kann, wäre ein längerer Ausfall eines Schlüsselspielers – wie Füllkrug. Weshalb mancher Fan darauf hofft, dass der Stürmer vielleicht doch nicht mitfliegt zur Wüsten- WM. Dann könnte sich Füllkrug in Bremen in Ruhe auf die Rückrunde vorbereiten, statt im fernen Katar seine Knochen hinzuhalten.
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