Fragile Freiheit

Freiheit – ein großes Wort mit vielerlei Bedeutungen (und Folgen), je nachdem, für wen. „Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet.“ So definiert die 1789 von der französischen Nationalversammlung verabschiedete Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte den Begriff.

Das Titelbild von Spring #18.Foto: Spring

Freiheit – ein Wort, das Flügel verleiht. So ließe sich das Titelbild der aktuellen Ausgabe der Comicanthologie „Spring“ (Mairisch Verlag, 224 S., 24 €) zum Thema Freiheit interpretieren: Eine Gestalt mit mächtigen, erhobenen Schwingen scheint durch die Lüfte zu fliegen. Weißer Freiraum auf himmelblauem Grund bildet die Umrisse, von dem weiblichen Körper sind lediglich die angewinkelten Beine und die Wölbung einer Brust zu erkennen, auf der provokant zwei rote Punkte hervorblitzen: entblößte Brustwarzen – eine Form der Freiheit, die für Frauen nicht selbstverständlich ist.

So vielfältig die Vorstellungen von Freiheit für jede:n sind, so groß ist die Bandbreite der Beiträge, die das Zeichnerinnen-Kollektiv „Spring“ mit dieser 18. Ausgabe ihrer Magazinreihe vorgelegt hat. Die Gruppe – von Beginn an ausschließlich aus Frauen bestehend – gründete das Magazin 2004 in Hamburg, seither erscheint jährlich ein Band zu einem Thema („Gespenster“, „Sex“ und „Arbeit“, um nur die jüngsten zu nennen).

Die Beitragenden variieren bei jeder Nummer leicht, nach Angaben der Gruppe waren inzwischen mehr als 40 Künstlerinnen beteiligt. Längst gehört „Spring“ zu den besten und interessantesten deutschsprachigen Comicanthologien.

Für den aktuellen Band setzten sich zwölf Künstlerinnen mit dem Begriff „Freiheit“ auseinander, jede auf ihre Weise, was Stil und inhaltlichen Ansatz angeht. In der ersten Geschichte „The Wall“ zeichnet die als Kind in der DDR aufgewachsene Doris Freigofas in plakativ-malerischen Bildern eine rote Backsteinmauer, an deren Zerstörung oder Überwindung sich eine Frau auf mehreren Seiten vergeblich abarbeitet – bis sich am Ende der Blickwinkel weitet und die Mauer sich als ein freistehendes Stück Wand vor blauem Grund entpuppt.

Die unbeschwerte Freiheit endet abrupt

Stephanie Wunderlich erzählt in ihrem Beitrag „Eh nichts passiert“ von unbeschwerter Freiheit in Kindertagen, die sie als Heranwachsende jäh verliert, als sie allein auf dem Rad im Wald von einem Mann bedrängt wird und nur knapp entkommt.

Knapp entkommen: Zwei Seiten aus Stephanie Wunderlichs Beitrag „Eh nichts passiert“.Foto: Spring

Die Zeichnungen abstrahieren das Geschehen in geometrischen Formen und Linien und drücken doch deutlich die einengende Angst der jungen Frau aus – am Ende allerdings auch Triumph: Wenn später ihre drei Töchter mit wehenden Umhängen und gereckten Armen am oberen Bildrand fliegen, ganz offensichtlich frei sich zu entfalten.

Zwischen längere Geschichten sind kleine, pointierte Szenen in einem Bild geschaltet, zum Beispiel von marialuisa, die in lockerem Bleistiftstrich mit der Kehrseite vermeintlicher Freiheit spielt.

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Moki zeichnet organische Formen, niedliche Tierwesen und phantastisch-surreale Welten, während Carolin Löbbert ihre Protagonistin aus der in strenge Panels gepferchten Zivilisation auf einen Wandertag schickt, im Lauf dessen die Begrenzungen verschwinden und sich die Gestalt der Wandernden schließlich Linie für Linie in die einer Blume verwandelt.

So unterschiedlich die Beiträge der einzelnen Zeichnerinnen sind, so bilden sie doch gemeinsam ein großes Ganzes: Sie werden, wie das auch schon bei den vorigen „Spring“-Ausgaben der Fall war, von einem konsequenten Farbschema als grafischer Klammer zusammengehalten.