Borussia Mönchengladbach schlägt RB Leipzig 3:0: Zwischen Freude und Hass
Es war schon fast zu spät, die Nachspielzeit bereits weitgehend abgelaufen, als die Fans von Borussia Mönchengladbach noch einen Geistesblitz hatten. Sie riefen etwas, was sie schon vor langer Zeit hätten rufen wollen, aber damals nicht rufen konnten, weil sie wegen Corona nicht ins Stadion durften.
„Rose raus!“, schallte es aus der Nordkurve. Einmal, zweimal, dann war das Spiel beendet.
Dass die Anhänger der Gladbacher so lange mit ihren Schmähungen gegen den gegnerischen Trainer gewartet hatten, lag womöglich daran, dass sie schlicht von ihrer Freude übermannt worden waren. 3:0 führte ihre Mannschaft gegen Marco Rose, den früheren Trainer der Gladbacher, und sein aktuelles Team Rasenballsport Leipzig. 3:0 (2:0) hieß es auch, als das Spiel beendet war.
Die Begegnung zwischen dem Traditionsverein vom Niederrhein und den Emporkömmlingen aus Sachsen hat traditionell etwas Klassenkämpferisches. Das war auch am Samstag wieder so.
Hinter dem Tor vor der Nordkurve hing ein schlichtes Banner mit dem Vereinsnamen Borussia Mönchengladbach. Zu Beginn des Spiels war es überdeckt von einem zweiten Transparent. „Keine Akzeptanz für RB!“ Und das hatte durchaus etwas Symbolisches. Der Protest gegen Rasenballsport überlagerte an diesem Abend alles.
Und er ging einigen zu weit. Dem Schiedsrichter Patrick Ittrich zum Beispiel, der in der ersten Hälfte über den Stadionsprecher mit einer Unterbrechung drohen ließ, wenn ein beleidigendes Plakat nicht entfernt werde. „Da habe ich eine relativ kurze Leine“, sagte er. „Man muss deutlich gegen solche Sachen vorgehen.“
Dass die Anti-RB-Stimmung im Borussia-Park diesmal noch ein bisschen heftiger ausfiel als sonst schon, lag an der besonderen personellen Konstellation rund um das Spiel. Vor zehn Tagen hatte Marco Rose als neuer Trainer in Leipzig angefangen. Für die Gladbacher Fans ist er seit seinem Wechsel zu Borussia Dortmund kein rotes Tuch ist, sondern ein dunkelrotes. Schon am ersten Tag nach seiner Entscheidung für den BVB Anfang des Jahres 2021 hätten die Gladbacher Fans „jedes Maß an Sachlichkeit vermissen lassen“, sagte Rose.
Demnächst kommt es dann in Leipzig auch noch zur Wiedervereinigung mit Max Eberl, dem früheren Sportdirektor der Borussen. Dass Eberl an der Erfolgsgeschichte der Gladbacher in der vergangenen Dekade einen nicht unerheblichen Anteil hatte, rückt offenbar mehr und mehr in den Hintergrund. Ein Teil der Ultras schmähte Eberl während des Spiels auch verbal.
Die Beleidigungen gegen Rose und Eberl, das künftige Führungsduo der Leipziger, bezeichnete Borussias Mittelfeldspieler Christoph Kramer als „eine absolute Sauerei“. Er schätze beide sowohl menschlich als auch sportlich unfassbar. „Das gehört sich nicht“, sagte Kramer. „Das war nicht eine Schippe drüber, das war ein paar Schippen drüber.“
Bereits unter der Woche hatte das Fanprojekt Mönchengladbach einen Offenen Brief an Eberl verfasst und ihn mehr oder weniger der Lüge bezichtigt, nachdem er Anfang des Jahres wegen gesundheitlicher Probleme von seinem Amt zurückgetreten war.
Eberl wurde auch verbal beleidigt
Vor Borussias Fankurve wurde Mitte der ersten Hälfte ein Transparent entrollt, das sich explizit an den früheren Gladbacher und künftigen Leipziger Sportdirektor richtete: „Monatelanges Gepoker mit einem Konstrukt ohne Seele. Max Eberl, dein Sinneswandel macht uns krank.“
So überschattete das Geschehen auf den Rängen das Geschehen auf dem Rasen, das auf andere Weise nicht minder bemerkenswert war. „Wir haben gegen eine richtig gute Mannschaft ein Top-Spiel gemacht“, sagte Borussias Trainer Daniel Farke. „Die Jungs haben eine fantastische Leistung gezeigt.“
Der Sieg für die Gladbacher hätte bei 21 Torschüssen und vielen hochkarätigen Chancen sogar noch höher ausfallen können. Die Ultras wedelten mit schlichten schwarz-weißen Fahnen, wie sie auf den Filmaufnahmen von Borussias erster Meisterschaft zu sehen sind. Das passte perfekt zum Umschaltspiel der Gladbacher, das dem Konterfußball der Originalfohlen aus den Siebzigern teilweise kaum nachstand.
Borussias Nationalspieler Jonas Hofmann erzielte kurz vor der Pause nach einem perfekten Konter das vorentscheidende 2:0, nachdem er seine Mannschaft schon früh in Führung gebracht hatte. Ramy Bensebaini ließ dann nach der Pause im Anschluss an eine Ecke noch das finale 3:0 folgen. Die Jungs waren gierig heute“, sagte Trainer Farke. „Fast ein bisschen zu gierig.“
Das ließ sich von den Leipzigern nach dem dritten Pflichtspiel unter dem neuen Trainer nicht behaupten. „Auf uns wartet eine Menge Arbeit“, sagte Marco Rose. Nie zuvor in der noch kurzen Vereinsgeschichte standen die Leipziger nach sieben Spielen so schlecht da wie aktuell.
Auch deshalb sehnt RB die Ankunft des neuen Sportdirektors herbei. Max Eberl sei „für uns eine absolute Toplösung“, sagte Vorstandschef Oliver Mintzlaff vor dem Spiel im Interview bei Sky. „Wir sind auf der Zielgeraden. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Tagen eine finale Entscheidung treffen werden.“
Sie wird den Leipzigern vermutlich viel Lob und Anerkennung einbringen. Nur in Mönchengladbach nicht.
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