Von Rubens bis Picasso
Die elektrische Milchpumpe ist ein Segen für die moderne Mutter – man kann zwischendurch zum Beispiel einfach mal kurz ein Nickerchen machen. Dass sie auch ein wenig an ein Foltergerät erinnert, gehört zu den netten Gags am Rande von Karoline Herfurths Beziehungskomödie „Wunderschön“ – die genau genommen eine Körperkomödie ist.
Um allerdings an diesen Punkt zu gelangen, an dem sich die Beziehung zum eigenen Körper entspannt (und wie so oft im deutschen Film entladen sich die romantischen Verirrungen in einer Massentanzszene) müssen ihre Protagonistinnen zunächst einen ganzen Katalog von Körper- und Rollenbildern hinter sich lassen.
Intermezzo an der Milchpumpe
Die vierte Regiearbeit von Herfurth, eine der komischsten deutschen Schauspielerinnen, die immer ein wenig so spielt, als sei sie gerade zufällig in eine Komödie gestolpert, ist ein Film mit Botschaft, dem es an gutem Willen nicht mangelt.
Anderen Regisseurinnen würde man so viele Klischees und Rührseligkeiten nicht ohne Weiteres durchgehen lassen. Da Herfurth aber auch noch vor der Kamera steht, kann man sich ihrer komischen Verzweiflung – nicht nur beim Intermezzo an der Milchpumpe – schwer entziehen.
Sonja fühlt sich nach dem zweiten Kind gegen ihren Willen in die Rolle der Hausfrau versetzt. Ihr Versuch, sich noch einmal in die Jeans aus grauer Vorzeit (heißt: einer Zeit vor der Schwangerschaft) zu quetschen, endet genauso ernüchternd wie das Wettrennen im Park mit Kinderbuggy. Milan (Friedrich Mücke), frisch befördert, kriegt davon nichts mit, guckt sogar latent genervt, wenn Sonja am Ende des Tages wieder erschöpft ihre Milchpumpe anschmeißt.
Vicky, gespielt von einer in den besten Momenten erratischen Nora Tschirner, gibt ihrer besten Freundin den sinnigen Ratschlag, die Freizeit weniger mit „gehirnamputierten Leuten“ zu verbringen – wie etwa den selbstoptimierten Suppermuttis aus der Beckenbodentrainingsgruppe.
„Wunderschön“ streut solche Pointen breit, viele treffen dabei aber auch leichte Ziele. Herfurth kann daher froh sein, dass sie mit der entgrenzten Tschirner eine kongeniale Partnerin zur Seite hat, die schon in „SMS für Dich“ als furchtlose wing woman verlässlich jede noch so aussichtslose Situationskomik zur Eskalation brachte.
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Vicky ist in „Wunderschön“ auch die einzige von allen Selbstkasteiungsfantasien unbehelligte Figur. In der Schule unterrichtet sie die Geschichte weiblicher Körperbilder von der Antike bis in die Gegenwart; zu schaffen macht ihr höchstens die schnelle Affäre mit dem neuen Kollegen, dessen Faible für Monogamie nicht kompatibel ist mit Vickys Paarbildungsaversionen.
Mit wachsender Neugier beobachtet sie zudem das Aufblühen der schüchternen Leyla (Dilara Aylin Ziem), die von ihren Mitschülerinnen wegen ihrer Figur gehänselt wird. Leyla haut nach dem Unterricht auf dem Baseballfeld die Bälle unerreichbar in Richtung Tribüne.
Diätpillen und eine Line Koks
Und dann geistert noch das Versprechen „Perfectly Strong“ durch den Film, ein in der Beauty-Industrie erstrebenswerter, aber eben nur an Ausnahmetagen erreichter Idealzustand. Für junge Frauen wie Julie (Emilia Schüle) gilt der Slogan auch nur bis maximal 25. Dann ist Schluss mit der Modelkarriere und dem guten Körpergefühl, das sich ohnehin erst mit Diätpillen und einer Line Koks einstellt.
[“Wunderschön” läuft in 23 Berliner Kinos.]
Durch die episodische Erzählweise bedarf es dann einer simplen Drehbuchidee, um diese Geschichten notdürftig zu verbinden. Eigentlich ist in „Wunderschön“ nämlich das Ensemble der Star. Frauke (Martina Gedeck), die mit Wolfgang (Joachim Król) in einer lieblosen Ehe lebt, fungiert gewissermaßen als Familienoberhaupt dieser Mehrgenerationenkomödie.
Sie ist außerdem die leibliche Mutter von Julie und Milan, an ihrem Esstisch laufen irgendwann alle Handlungsfäden zusammen.
Sie spielt alle weiblichen Rollenbilder durch
Herfurth, sonst immer für überraschende Comedy-Einlagen gut, bleibt mit ihrem Film im Rahmen einer deutschen Beziehungskomödie. Sie spielt alle möglichen Modelle von aus Funk, Fernsehen und Internet bekannten weiblichen Rollenbildern durch, um mit einem Lobgesang auf Schwangerschaftsstreifen, Krähenfüße und Plus-Size zu enden.
Das ist so begrüßenswert wie vorhersehbar. Es wirkt auch immer ein wenig manipulativ, ein siebenjähriges Kind die klügste Frage stellen zu lassen, die den doofen Erwachsenen partout nicht einfällt: „Wie sieht man richtig aus?“