Droht Hertha BSC ein Auswärtsspiel zu Hause?

Die Schätzungen reichen bis hin zu 35.000 Fans, die ihren Verein am Donnerstag vor Ort unterstützen werden. Vermutlich ist diese Zahl um einiges hoch gegriffen. Aber als Schreckensszenario macht sie sich natürlich perfekt. Als Schreckensszenario für alle Berliner, die es mit Hertha BSC halten.

Am Donnerstagabend (20.30 Uhr) empfängt ihr Klub im Olympiastadion den Hamburger SV zum Hinspiel in der Relegation – und aus dem Heimspiel, so ihre Befürchtung, droht ein Auswärtsspiel zu werden, weil sich viel zu viele Fans des HSV im Olympiastadion befinden werden.

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„Alle nach Berlin!“, fordert die „Nordtribüne Hamburg“, die Vereinigung der organisierten HSV-Fans. „Blau-weiß-schwarze Invasion zur Relegation! Besorgt euch Tickets über alle Wege!“ In den sozialen Medien werden schon Analogien zum Europa-League-Spiel von Eintracht Frankfurt vor einigen Wochen beim FC Barcelona hergestellt.

Und die Hertha-Fans schäumen.

„Auswärtsspiel im eigenen Stadion. Geil“, schreibt jemand bei Twitter. Die Reaktionen der Anhänger schwanken zwischen Erstaunen, Sarkasmus und Verärgerung. „Hamburg wird unser Stadion so einnehmen. Freue mich schon drauf! Danke, Hertha!“ – „Das ist an Unprofessionalität nicht zu überbieten. Das Heimspiel wird zum Auswärtsspiel.“ Und: „Eventuell haben wir den halben HSV im Stadion. Ich kann es einfach nicht glauben.“

Offiziell gab es 7500 Tickets für den HSV

Hertha-Fan zu sein ist in dieser Saison mal wieder alles andere als leicht: Zur Enttäuschung über die sportliche Misere und zur Sorge vor dem drohenden Abstieg gesellt sich bei vielen Anhängern nun auch noch die Wut über den eigenen Verein und das Ticketmanagement für das Relegationsspiel gegen den Hamburger SV. Der freie Verkauf, so die Klage, sei viel zu früh gestartet worden, den Hamburgern damit quasi der blau-weiß-schwarze Teppich ins Olympiastadion ausgelegt worden.

Offiziell standen den Gästefans für das Hinspiel im Berliner Olympiastadion 7500 Tickets, die üblichen zehn Prozent der Gesamtkapazität, zu. Die waren binnen weniger Minuten vergriffen. Kurz danach aber verkündete der „HSV Supporters Club“ über seinen Twitteraccount süffisant: „Es gibt noch Rest-Tickets im Shop.“ Tickets, die aber eigentlich für die Fans der Heimmannschaft hätten sein sollen.

Verärgert hat Hertha viele Anhänger aber auch durch die missverständliche Kommunikation zur Ticketvergabe. Seitdem feststeht, dass die Mannschaft in die Relegation muss, fand ein reger Mailverkehr zwischen dem Verein auf der einen Seite sowie den Dauerkarteninhabern und Mitgliedern auf der anderen Seite statt. Ein allerdings recht einseitiger Mailverkehr.

Die Fans schäumen: „Eine Peinlichkeit nach der anderen“

Nur etwas mehr als eine Stunde nach dem Abpfiff des letzten regulären Saisonspiels in Dortmund bekamen die Mitglieder und Dauerkarteninhaber am Samstag das erste Schreiben Herthas in ihr digitales Postfach. „Ab sofort können alle Vereinsmitglieder und alle Fans mit Dauerkarte (2019/20 + 2021/22 + Fünf-Spiele- Paket) Tickets für das erste der beiden entscheidenden Duelle kaufen!“, hieß es darin.

Das taten dann auch etliche Dauerkartenbesitzer – allerdings nicht ohne in den sozialen Medien ihre Verwunderung darüber kundzutun, dass sie als Dauerkartenbesitzer noch einmal zahlen müssen.Daraufhin kam nur drei Stunden später die nächste Mail von Hertha: „Damit unsere Jungs auf dem Platz euren Rückhalt spüren, darfst du als Fan mit Dauerkarte ein Ticket kostenfrei buchen. Hast du bereits eins gekauft, kannst du es an eine Herthanerin oder einen Herthaner weitergeben.“ Im selben Schreiben gab es einen Code, mit dem „du dir für unser Heimspiel deine Freikarte in unserem Online-Shop sichern“ kannst.

Doch die Verwirrung wurde dadurch eher größer als kleiner – weil Mitglieder und Dauerkartenbesitzer zuletzt bei den beiden Heimspielen gegen Stuttgart und Mainz die Möglichkeit hatten, mit einem solchen Code ein zusätzliches, kostenfreies Ticket zu erwerben.

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Diesmal aber hätten sie den Code nutzen müssen, um ihr eigenes Ticket zu aktivieren. Deshalb kam am Montag eine dritte Mail von Hertha, allerdings erst, nachdem das Vorkaufsrecht für Dauerkarteninhaber und Mitglieder bereits abgelaufen und der freie Verkauf gestartet worden war: „WICHTIG“, hieß es da, in Versalien: „MIT DEINER DAUERKARTE 21/22 HAST DU NICHT AUTOMATISCH ZUTRITT ZUM OLYMPIASTADION!“

In den sozialen Medien schäumten die Fans: „Eine weitere ,Schlechtleistung von Hertha BSC’. Wie sagenhaft mich dieser Verein dieses Jahr enttäuscht, ist einmalig.“ Oder: „Eine Peinlichkeit nach der anderen.“ Und: „Ein Verein zerlegt sich selbst. Fällt allmählich schwer, nicht an Sabotage auf allen Ebenen zu glauben.“

Das Thema – so viel ist jetzt schon klar – wird bei der Mitgliederversammlung Ende kommender Woche ein Nachspiel haben. Das hat Ingo Schiller, Herthas Finanzgeschäftsführer, angekündigt. Als die Fanseele kochte, meldete er sich bei Twitter zu Wort: „Das haben wir nicht gut gelöst“, schrieb er, „und ich entschuldige mich dafür bei allen Betroffenen.“