Tod und Engel
Zwei Komponisten des 20. Jahrhunderts befassen sich in den sechziger Jahren mit einer Erzählung aus dem Alten Testament: Gott befiehlt Abraham, seinen Sohn Issak zu opfern. Aber Strawinsky und Britten behandeln den Ausgang konträr. Das Musikfest Berlin führt die beiden Kompositionen in glücklicher Fügung zusammen. Beim RSB war jüngst Strawinskys „Abraham and Isaac“ zu erleben. Das Stück folgt der Bibel: Abraham zeigt sich bereit zu gehorchen, Gott aber rettet Isaak und belohnt Abraham für seinen Gehorsam.
Anders Benjamin Britten, dessen „War Requiem“ Donald Runnicles mit dem Orchester und Chor der Deutschen Oper interpretiert. Eingefügt in die lateinische Liturgie sind in diesem Werk Gedichte von Wilfred Owen, dem „war poet“, der die Unmenschlichkeit des Krieges thematisiert. Und im Offertorium der Totenmesse sagt Owens Lyrik: Abraham wollte nicht auf den rettenden Engel hören, sondern er „slew his son, and half the seed of Europe“. Die Klage übertönt die religiöse Feier.
Gewidmet der Kathedrale von Coventry
Eine Aufführung von hoher Konzentration nimmt das Publikum gefangen. Der Symbolwert des „War Requiem“ geht historisch davon aus, dass ein deutscher Luftangriff die Kathedrale von Coventry 1940 zerstört hat und Brittens Werk zur Eröffnung der neuen Kathedrale 1962 entstand. Trauermusik für die Gefallenen, Anklage und mit Zweifeln belasteter Trost. Ein Brite und ein Deutscher, Peter Pears und Dietrich Fischer-Dieskau, sangen die Owen-Gedichte zuerst in Coventry.
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In der Philharmonie sind es Matthew Newlin und Markus Brück, die ihre Soli mit bewegender Intensität vortragen. Sie werden begleitet von einem solistisch besetzten Kammerorchester. Mit dem Requiem-Text sind Sopran (Flurina Stucki), großes Orchester und Chor betraut. Und alle singen und spielen mit solcher Empfindsamkeit und Präzision, dass sie starken Beifall ernten und für das musikalische Niveau der Deutschen Oper werben, besonders überraschend der Kinderchor.
Runnicles favorisiert Britten. Wenn der Chor psalmodierend zum Tritonus-Klang der Glocken sein „Requiem aeternam“ intoniert, ist die Atmosphäre nicht geheuer. Der Dirigent hält diese ambivalente Stimmung in der Partitur wach. Blechbläser stehen für das Jüngste Gericht wie für den Krieg. Instrumentalsoli schmücken den Abgesang der früheren Feinde „Let us sleep now“, in den die Chöre einfallen. Es ist ein Konzert, das nachklingt.