So ist kein Staat zu machen

Die ehemalige belarussische Schwimmerin Alexandra Herassimenja hat vor gar nicht allzu langer Zeit in einem Interview gesagt, die Sportler*innen ihres Landes seien wie „Melkkühe unter Lukaschenko“. Wer erfolgreich ist, wird belohnt. Wer nicht mehr funktioniert, wird entsorgt.

Nun flüchten die Sprinterin Kristina Timanowskaja und noch andere vor der Diktatur in Belarus. Und nicht nur wegen des Exodus dürfte das System Lukaschenko die diesmal vor den Olympischen Spielen ausgelobte Medaillenvorgabe am Ende im Soll beenden. Belarus hat bisher genau so viele Medaillen gewonnen wie Estland oder Fidschi, nämlich zwei und das macht derzeit Rang 54 im Medaillenspiegel.

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Immer noch gilt die Formel: Je totalitärer das System, desto politischer ist der Auftrag für seine Sportlerinnen und Sportler, bei Olympia zu gewinnen. Das ist eine Formel, die bis vor gut 30 Jahren vor dem Fall des Vorhangs zwischen Ost und West den internationalen Sport im Schwitzkasten hatte. Bis dahin hatten sich System West und System Ost und besonders die großen USA und die große UdSSR im staatlichen Auftrag den Kampf um die Medaillen geliefert – und bis dahin wurden Olympische Spiele auch noch munter boykottiert.

Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein, die meisten Nationen spielen da nicht mehr mit: Auf ganz hohem Niveau sicher von China abgesehen. Das größte Land betrachtet den Kampf um Medaillen immer noch als Staatssache. Es sieht momentan so aus, dass das bevölkerungsreichste Land der Welt am Ende auch das erfolgreichste sein wird in Tokio – oder eben die USA.

Die menschenunwürdige Situation der belarussischen Sportler*innen verdeutlicht uns nur, wie gut es ist, wenn Sport nicht instrumentalisiert wird und wie weit wir dann in vielen Staaten der Erde schon gekommen sind: Dort ist sportlicher Erfolg schön und vor allem viel Wert für die Sieger*innen, ihre Verbände, ihre Sportarten – aber eben nicht ein Zeichen für die vermeintliche Überlegenheit eines Systems.